Aktuelles, Experten, Studien - geschrieben von am Sonntag, Februar 10, 2019 18:17 - noch keine Kommentare

Neuerscheinung: Industrie 4.0 zwischen Idee und Realität

Kapitel von Carsten J. Pinnow und Dirk C. Pinnow mündet in Plädoyer für eine „Safety-Security-Sustainability by Design“-Kultur

[datensicherheit.de, 10.02.2019] Als Band 54 der „Abhandlungen“ der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften ist das Werk mit dem Thema „Industrie 4.0 zwischen Idee und Realität“ im Sinne eines Ländervergleichs Anfang Februar 2019 erschienen. Die von Experten verschiedener Länder gemeinsam erstellte Publikation wird von Prof. Dr. sc. phil. Prof. e.h. Gerhard Banse, seit 2012 Präsident der Leibniz-Sozietät in Berlin, M. Sc. Julia Thelen, Wissenschaftliche Projekt-Mitarbeiterin der EA European Academy in Bad Neuenahr-Ahrweiler, und Dr. rer. nat. Stephan Lingner, Dipl.-Geol., Stellvertretender Direktor / „Head of Department ,Technology Assessment‘“ der EA European Academy in Bad Neuenahr-Ahrweiler, herausgegeben. Die beiden ds-Herausgeber, Dipl.-Ing. Carsten J. Pinnow, VDI/VDE, und Dipl.-Ing. Dirk C. Pinnow, VDI, haben den Beitrag „Industrie 4.0 in Deutschland. Gedanken und Empfehlungen zur Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis“ zur Verfügung gestellt.

Die Gesellschaft muss auf erhebliche disruptive Veränderungen eingestellt werden

Die Herausgeber haben den Titel „Industrie 4.0 zwischen Idee und Realität“ nach eigenen Angaben deshalb gewählt, weil er demnach die gegenwärtige Situation wohl angemessen umschreibt – denn der lange Weg von der „Idee“ zur „Realität“ biete Platz für unterschiedliche Konzeptualisierungen oder Situationsbeschreibungen.
Die „Industrie 4.0“ werde die Gesellschaft ganz klar mehr tangieren als je eine Industrielle Revolution zuvor. Bereits jetzt zeichne sich ab, dass diese sogenannte vierte Industrielle Revolution „erhebliche bzw. disruptive Veränderungen in Produktion, Organisation, Arbeit, Lebensweise und Alltagskultur“ mit sich bringen werde.

Frühzeitige und umfassende Einsichten zur Gestaltung des Wandels

Es seien frühzeitige und umfassende Einsichten in mögliche wie bereits wirkliche technische wie nichttechnische Effekte angezeigt, welche es den verantwortlichen Akteuren auf dieser Basis erlaubten, den technisch-induzierten Wandel informiert und gesellschaftsverträglich zu gestalten.
Die direkten wie indirekten Auswirkungen tangierten aber nicht nur nationale Belange, sondern die gesamte Europäische Union – und darüber hinaus alle industriell entwickelten Länder. Dazu sollen die Beiträge dieses Buches „vielfältige Einblicke und Einsichten“ liefern, so die Herausgeber.

Noch viele „offene Baustellen“

Die beiden ds-Herausgeber führen in ihrem Beitrag „Industrie 4.0 in Deutschland. Gedanken und Empfehlungen zur Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis“ aus, dass die deutsche Volkswirtschaft hinsichtlich der umfänglichen Vernetzung und Digitalisierung der industriellen Produktion schon vergleichsweise weit den Weg hin zur sogenannten Industrie 4.0 beschritten hat.
Aktuelle Studien hierzu seien von einer „erstaunlich positiven Grundstimmung“ geprägt. Gleichwohl aber gebe es noch viele „offene Baustellen“, deren Missachtung den zeitlichen Vorsprung schmelzen lasse und unnötigerweise wertvolle Zeit verschenke.

Die Digitale Transformation als ein Großprojekt über Dekaden

Die „epochale Digitale Transformation“ werde sich über Jahrzehnte erstrecken – sie sei ein „Großprojekt ungeahnten Ausmaßes“. Aber mental stünden die Deutschen vor einer ähnlich historischen Herausforderung „wie ihre Vorfahren im 19. Jahrhundert, als erste Eisenbahnen oft eher nur als eine kurzweilige Attraktion wahrgenommen wurden und sich wohl niemand das Entstehen von Industriemetropolen mit regelmäßigem Nah- und Fernverkehr mit Zügen am Ende dieses Jahrhunderts vorstellen konnte“.
Fern davon, nur einfach eine weiterentwickelte Produktionswirklichkeit aus der Ära der Einführung der „C-Technologien“ zu sein, werde die Industrie 4.0 vermutlich auch eine „Gesellschaft 4.0“ hervorbringen – deren Alltag heute nur ansatzweise erahnt werden könne.

Sicherheit als Qualitätsmerkmal deutscher Prozesse, Projekte und Produkte

Für Deutschland als Industriestandort stelle sich in diesem Zusammenhang „in besonderer Weise die Frage nach dem Schicksal des Mittelstands“, der über Generationen Träger der Wertschöpfung, des Wohlstands und der Sinnstiftung gewesen sei.
Mit Verwerfungen sei zu rechnen: Nach einer „ruppig“ verlaufenden Transformationsphase könnte sich wieder eine konsolidierte, vom Mittelstand geprägte Unternehmens-Landschaft einstellen. Der Erfolg bzw. Misserfolg werde wesentlich durch die Fähigkeit bestimmt, „ob Sicherheit im weiteren Sinne als ein Qualitätsmerkmal deutscher Prozesse, Projekte und Produkte verankert werden kann“.

Eigene Standards etablieren – sich möglichst an die Spitze der Entwicklung setzen!

Produktivität und Flexibilität würden in aktuellen Studien zum Thema Industrie 4.0 wiederholt als zentrale Erfolgsfaktoren benannt. Dabei zeigten sich Anklänge der Verheißung der Teilhabe vieler Menschen – evtl. zeichne sich sogar eine Art neues „Wirtschaftswunder“ in Deutschland ab.
„Ohne Frage würde ein notorisches Festhalten an bestehenden Abläufen und Erfolgsmodellen vergangener Jahrzehnte dieser Volkswirtschaft die Zukunftsfähigkeit rauben“, so die Warnung. Es gebe keine ernstzunehmende Verweigerungsoption, „sondern nur noch die Chance, sich entscheidend in den Gestaltungsprozess einzubringen, eigene Standards zu etablieren, sich möglichst sogar an die Spitze der Entwicklung zu setzen“.

Verfügbarkeit der cyber-physischen Infrastruktur als Erfolgsfaktor

Laut Carsten Pinnow und Dirk Pinnow zeichnen sich in Deutschland auf dem Weg zum Erfolg schwerwiegende Herausforderungen ab: So müsste Deutschlands cyber-physische Infrastruktur innerhalb kürzestmöglicher Frist mit großen Anstrengungen und hohen Investitionen auf den notwendigen Stand gebracht werden, „welcher überhaupt eine nachhaltige durchgehende Digitalisierung und Vernetzung erlaubt“ – und damit das erfolgreiche Wechselwirken der materiellen und immateriellen Systeme im Großen wie im Kleinen.
Es lohne sich ein Rückblick in das 19. Jahrhundert, um eine Ahnung von der Dimension des Aufwands zu haben, denn damals seien „aus Visionen konkrete Infrastruktur z.B. in Gestalt von Eisenbahnlinien, Telegraphiestrecken und Kanalisation, aber auch leistungsfähigen Kanälen und Straßennetzen“ geworden.„Mutige Unternehmer, Wissenschaftler und Politiker“ seien es gewesen, die seinerzeit gegen große Widerstände z.B. aus der preußischen Residenzstadt Berlin eine Weltmetropole und führenden Industriestandort gemacht hätten.

„Safety-Security-Sustainability by Design“-Kultur

Im weiteren, gleichwohl elementaren Sinne gehöre zur kritischen immateriellen Infrastruktur die Bildung: „Wer die Digitalisierung verstehen will, muss zunächst ein Gefühl für analoge Zusammenhänge entwickeln – hierzu ist bereits der Sachkundeunterricht in der Grundschule gefragt bzw. könnten sogar kleine Experimente schon im Kindergartenalter das Interesse an Technik, Naturwissenschaften und Informatik wecken“.
Mit Blick auf Fragen der Sicherheit gelte es, von der insbesondere auf dem Gebiet der Software-Entwicklung verbreiteten „Patch“-Unkultur wegzukommen und statt der zeitverzögerten Reaktion auf offenbar gewordene Sicherheitslücken, Sicherheit im weitesten Sinne von Anfang an mit als ein notwendiges Qualitätsmerkmal in alle Konzepte mit einzubeziehen – Carsten Pinnow und Dirk Pinnow plädieren für die Etablierung einer „Safety-Security-Sustainability by Design“-Kultur.

Industrie 4.0 zwischen Idee und Realität

Abbildung: trafo-Verlag der Wissenschaften 

„Industrie 4.0 zwischen Idee und Realität. Ein Ländervergleich“

Herausgegeben von Gerhard Banse, Julia Thelen & Stephan Lingner
Band 54 der „Abhandlungen“ der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften
trafo-Verlag der Wissenschaften, Berlin, 2019, 400 S., ISBN 978-3-86464-187-9
Inhaltsverzeichnis

Weitere Informationen zum Thema:

Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V., 03.02.2019
Band 54 der Abhandlungen erschienen

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