Aktuelles, Branche, Gastbeiträge - geschrieben von am Montag, April 15, 2019 23:41 - noch keine Kommentare

Predictive Maintenance und der Aufstieg der intelligenten Fabrik

Außerplanmäßige Ausfallzeiten sind große Herausforderungen für Unternehmen

Von unserem Gastautor Peter Portner, Managing Director DACH bei Senseye

[datensicherheit.de, 15.04.2019] Im Zuge der Digitalisierung werden Fabriken smarter. Schon heute sind viele produzierende Betriebe weitreichend vernetzt. Maschinen, die in ihnen arbeiten, verfügen über eine Fülle an Sensoren, die unablässig Daten über ihre mechanische Belastung sammeln. Mit Hilfe eines Condition Based Maintenance und im zweiten Schritt einer Vorausschauenden Instandhaltung (Predictive Maintenance)-Lösung können Unternehmen diese Daten nutzen, um den eigenen Umsatz zu erhöhen.

Die „Industrie 4.0“ hat sich als Schlagwort etabliert, sobald es darum geht, den Prozess der Digitalisierung im Hinblick auf die Produktion zu umschreiben. Damit ist im Allgemeinen eine Zwischenvernetzung der Produktionsmaschinen unter einander und nach außen hin gemeint, um die Produktion zu verbessern und die Fabrik aus der Ferne steuerbar zu machen. Dies geht so weit, dass viele Fabriken heute gar keiner direkten menschlichen Überwachung mehr bedürfen. Da die meisten Maschinen kein Licht zum Arbeiten benötigen, herrscht in diesen „Dark Factories“ ewige Nacht.

Die Technik, die hierbei eingesetzt wird, kann auch dafür genutzt werden, um vorauszusehen, wann die Maschinen gewartet werden sollten.

Peter Portner, Managing Director DACH bei Senseye

Bild: Senseye

Peter Portner, Managing Director DACH bei Senseye

Außerplanmäßige Ausfallzeiten stellen Unternehmen vor große Herausforderungen

Eine fortlaufende, ungestörte Produktion ist wichtig, um einen stabilen Umsatz und Vertrauen bei Kunden und Partnern zu gewährleisten. Deshalb kann es fatal sein, wenn die Produktion eines Fertigungsbetriebs gestört wird. Bei der Herstellung schnelldrehender Waren sowie in der Fahrzeugindustrie zum Beispiel können Ausfallzeiten, selbst wenn sie nur wenige Minuten andauern, finanzielle Schäden in Höhe von mehreren Zehntausend Euro verursachen. Werden Teile hergestellt, die woanders weiterverarbeitet werden, sinkt das Vertrauen in den Hersteller, sobald diese Teile durch Produktionsausfälle bedingt in schlechterer Qualität oder gar nicht ausgeliefert wurden.

Noch brisanter sind Fälle, in denen Teile aufgrund fehlerhafter Maschinenleistung unbemerkt als einwandfrei ausgeliefert werden. Handelt es sich hier um sicherheitsrelevante Werkstücke, können die Folgen kritisch werden. Besonders in den Bereichen Fahr- und Flugzeugbau sowie in der Medizin können Fehler in gefertigten Teilen immense Schäden verursachen und Menschenleben gefährden.

Prophylaktische Wartungsintervalle sind arbeits- und kostenintensiv

Um diese Herausforderungen zu umgehen, gehen Unternehmen häufig so vor, dass sie ihre Maschinen nach einer bestimmten Arbeitszeit herunterfahren und warten. Dies ist als zeitbasierte Wartung bekannt.

Dies ist in zweierlei Hinsicht problematisch:

  1. Maschinen werden gewartet, obwohl keine Verschleiß- oder Ausfallerscheinungen gegeben sind. Mehr Vorsicht walten zu lassen und lieber einmal zu viel als zu wenig gewartet zu haben, scheint vernünftig. Doch in vielen Bereichen bedeuten auch kleinste Zeiteinheiten, in denen Maschinen stillstehen, Umsatzverluste. Darüber hinaus wird durch Wartungsprozesse, die nicht an den Bedarf angepasst sind, Arbeitszeit gebunden, die anderswo vielleicht besser eingesetzt worden wäre.
  2. Wartung kann auch vor geplanten Instandhaltungsterminen notwendig sein, wenn beispielsweise Maschinen kurzfristig anders oder stärker belastet werden als ursprünglich angedacht. Sollte der dadurch entstehende Verschleiß nicht rechtzeitig bemerkt werden, kommt es zu Fehlern und schließlich Ausfällen.

CBM und Predictive Maintenance schützen vor Maschinenausfällen

Unter CBM (Condition Based Maintenance, zu deutsch. Zustandsbasierte Überwachung) versteht man die Erhebung und Auswertung von zustandsbezogenen Daten. Diese werden von Sensoren generiert, die von Anfang an in die Maschinen integriert oder nachgerüstet wurden. Diese Sensoren sammeln Daten über z. B. die Schwingungen, Geräuschemissionen und Temperatur, die von der Maschine ausgehen oder denen sie ausgesetzt ist. Alle von den Sensoren gesammelten Informationen werden dann entweder kabelgebunden oder drahtlos an eine CBM-Lösung geschickt.

In einem nächsten Schritt werden die gesammelten Daten analysiert, um festzustellen, wann die Maschine in der Zukunft wahrscheinlich ausfallen wird. Um diesen Ausfall zu umgehen wird ein Wartungstermin vorgeschlagen, der genug Zeit bis zum errechneten Ausfall aufweist, gleichzeitig aber weit genug in der Zukunft liegt, um die Wartung und die damit verbundene Stillstandszeit der Maschine einzukalkulieren. Hier spricht man von Predictive Maintenance, also der vorausschauenden Wartung.

Ein weiterer positiver Nebeneffekt ist, wie bei jeder rechtzeitigen Wartung, die Verlängerung der Lebensdauer der Maschine, was Kosten durch Neuanschaffungen vermeidet.

Mehr Sicherheit durch intelligente Datenauswertung

Die Fülle an Daten, die Sensoren an Maschinen sammeln, stellt auch für die Sicherheit des Unternehmens eine wichtige Basis dar. Auch produzierende Unternehmen sehen sich vermehrt Cyberangriffen ausgesetzt, die entweder darauf abzielen, die Produktion zu behindern und dem Betrieb auf diese Weise zu schaden oder wertvolle Daten abzuführen und gewinnbringend zu verkaufen.

Auch hier kann eine intelligente Lösung zur Zustandsüberwachung helfen. Da jede Maschine und jeder Sensor Daten generiert und an vorbestimmte Speicher- und Verarbeitungsorte schickt, können Unregelmäßigkeiten sofort erkannt werden.

Weicht der Zielort eines einzigen Datenpakets, das beispielsweise vom Sensor eines Fertigungsroboters erstellt wurde, vom ursprünglich Vorgesehenen ab, kann es sich um einen einfachen Fehler in der Programmierung handeln. Werden mehrere Datenpakete von mehreren Maschinen an falsche Server bzw. Speicherorte gesendet, kann von einem versuchten Datendiebstahl ausgegangen werden.

Darüber hinaus kann eine solche Lösung feststellen, ob ein Zugriffsversuch von außen auf die Assets stattfindet, etwa durch eine unbekannte externe IP-Adresse.

Vor welchen Herausforderungen Unternehmen stehen

In einer Studie von BearingPoint „Maschinenverfügbarkeit rauf, Wartungs- und Servicekosten runter“, die 74 Unternehmen zu ihrem aktuellen Stand in puncto Predictive Maintenance befragt hat, gaben 55 Prozent der Befragten an, die größten Herausforderungen lägen bei der Connectivity zwischen Maschinen und Datenverarbeitung. Zu den weiteren Bedenken gehören:

  1. Hoher Aufwand bei bei der Implementierung und bei abteilungsübergreifender Zusammenarbeit
    61 Prozent der Befragten gaben an, das sie Bedenken hinsichtlich CBM und Predictive-Maintenance-Lösungen hinsichtlich des Aufwands haben, den eine Implementierung verursachen würde. Gleichzeitig sieht knapp die Hälfte die Zusammenarbeit über verschiedene Abteilungen hinweg als problematisch an.Das Ziel sollte natürlich eine Verschleißüberwachung aller Produktionsmaschinen im Betrieb sein. Doch eine Einführung sollte schrittweise erfolgen, möglich ist auch ein Pilotprojekt in einer einzelnen Abteilung, um das Konzept auszuprobieren, da andernfalls hohe Kosten drohen. Hier kann auch die Zusammenarbeit der verschiedenen Abteilungen beobachtet und gegebenenfalls optimiert werden.

    Ist dieser Schritt erst einmal gemacht, sind die Darauffolgenden leichter.

  2. Kosten
    Die Einführungskosten von CM-, CBM- und Predictive-Maintenance-Lösungen sind besonders am Anfang relativ hoch, sodass eine Implementierung abschreckend wirken kann. In besagter Studie von BearingPoint sagen 46 Prozent, dass hohe Investitionssummen sie vor große Herausforderungen stellen und über ein Drittel ist sich nicht sicher, ob der Nutzen die Kosten überwiegt.Oft ist die Kosten/Nutzenanalyse zu einfach gestaltet: Die Differenz zwischen Einführungskosten und verhinderten Umsatzeinbußen muss negativ sein. In den Augen vieler Finanzentscheider hat sich die Lösung dann bewährt, wenn die finanziellen Schäden, die die Lösung verhindert hat, größer sind als die Kosten ihrer Implementierung.

    Dies ist aber nicht weit genug gedacht. Vielmehr handelt es sich bei einer solchen Lösung um ein Investment, das sich fortlaufend bezahlt macht. Beispielsweise sollte in die Kosten/Nutzenrechnung auch einkalkuliert werden, dass rechtzeitig gewartete Maschinen nicht nur weniger Produktionsausfall, sondern auch Kosten durch Neuanschaffungen einsparen.

  3. Neuorganisation bestehender Wartungsmechanismen
    Wurde eine solche Lösung erfolgreich implementiert, müssen im Betrieb einige Prozesse neu organisiert werden. Dazu zählt etwa das Ersatzteilmanagement: Anstatt Ersatzteile für alle möglichen Eventualitäten lagern zu müssen, reicht es aus, diese bedarfsorientiert zu ordern, je nachdem welche Komponenten während der Wartung als fehlerhaft erkannt wird und deshalb ausgetauscht werden muss.

Ausblick

Die Digitalisierung schreitet auch in der Produktion immer weiter voran. Die damit einhergehende Vernetzung wird auch in Zukunft zunehmen. Dies stellt Unternehmen auf der einen Seite vor große Herausforderungen, wie etwa der Zuwachs an möglichen Angriffsvektoren durch unsichere IoT-Geräte, zu denen auch Maschinen und Sensoren zählen. Auf der anderen Seite bietet sie das Potenzial, die Produktion effektiver zu gestalten.

Hier helfen Condition Based- und im zweiten Schritt Predictive Maintenance. Mit ihnen können Maschinenausfälle im laufenden Betrieb und damit Umsatzeinbußen weitestgehend verhindert werden, während gleichzeitig die Lebenserwartung der genutzten Maschinen erhöht wird. Obwohl die Herausforderungen noch groß sind, sollten sich Entscheider in Produktionsunternehmen mit der Frage auseinandersetzen, ob und wie solche Lösungen für ihr Unternehmen in Frage kommen.

Weitere Informationen zum Thema:

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