neuroadaptiv – datensicherheit.de Informationen zu Datensicherheit und Datenschutz https://www.datensicherheit.de Datensicherheit und Datenschutz im Überblick Wed, 24 Sep 2025 11:32:26 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.6.15 Made in Europe: Neuroadaptive Technologie als neuartiger Ansatz erfolgreicher KI-Modelle https://www.datensicherheit.de/made-in-europe-neuroadaptive-technologie-neu-ansatz-erfolg-ki-modelle https://www.datensicherheit.de/made-in-europe-neuroadaptive-technologie-neu-ansatz-erfolg-ki-modelle#respond Wed, 24 Sep 2025 22:11:21 +0000 https://www.datensicherheit.de/?p=50265 Bereits seit mehr als 15 Jahren erforscht Prof. Dr. Thorsten Zander an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg die Entwicklung neuroadaptiver Technologien

[datensicherheit.de, 25.09.2025] Bereits seit mehr als 15 Jahren erforscht Prof. Dr. Thorsten Zander, Inhaber der „Lichtenbergprofessur für Neuroadaptive Mensch-Technik-Interaktion“ an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU), die Entwicklung sogenannter Neuroadaptiver Technologien. Um seine Forschungsergebnisse praktisch nutzbar zu machen, gründete er 2016 die Zander Labs, wo – anders als etwa mit Elon Musks „Neuralink“ – ein non-invasiver Ansatz verfolgt wird: Sein Unternehmen entwickelt passive Hirn-Computer-Schnittstellen-Technologien. Diese könnten auch zum Training von Modellen der Künstlichen Intelligenz (KI) bzw. des Maschinellen Lernens (ML) genutzt werden. Auf der „brAIn@NAT25“, der ersten europäischen Konferenz für Neuroadaptive Technologie und Künstliche Intelligenz, hat sich ds-Herausgeber Carsten J. Pinnow mit Professor Zander getroffen und ihn zu den vielversprechenden Einsatzmöglichkeiten dieser neuen Technologie befragt:

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Foto: Dirk Pinnow

Prof. Dr. Thorsten Zander (l.) im Gespräch mit ds-Hrsg. Carsten J. Pinnow (r.)

Neuroadaptive Technologie – Steuerung durch die Kraft der Gedanken

Pinnow: Herr Professor Zander, viele unserer Leser werden wahrscheinlich nicht wissen, was Neuroadaptive Technologie eigentlich ist, was man sich darunter vorzustellen hat. Können Sie uns einen kurzen Einblick geben?

Zander: Selbstverständlich, gerne! Seit über drei Jahrzehnten wird nun schon an der Entwicklung von Schnittstellen zur Interaktion zwischen dem menschlichen Gehirn und einem Computer – sogenannten Brain Computer Interfaces (BCIs) – geforscht. Hirnaktivitäten werden dabei über eine Elektroenzephalographie (EEG) gemessen, die hierbei gewonnenen Daten ausgelesen, analysiert und dann mit einem bestimmten kognitiven Zustand in Beziehung gebracht.

  • Ein Beispiel: man denkt an das Bewegen der eigenen Hand, etwa nach links und rechts, während man sie auch tatsächlich nach links und rechts bewegt. Zeichnet man diese Daten nun mittels EEG auf, speist sie in einen Computer ein und verbindet diesen über ein BCI mit einem menschlichen Hirn, genügt dann schon der Gedanke an ‚links‘ oder ‚rechts‘, um am Computerbildschirm einen Cursor nach links oder rechts zu bewegen – ohne dass hierzu noch eine Maus bewegt oder eine Taste gedrückt werden müsste, gesteuert rein über die Kraft der Gedanken.

pBCI: Gefühle adressieren und sinnvoll nutzbar machen

Pinnow: Sehr interessant! Und wo genau kommt ihr neuer Ansatz eines passiven ,Brain Computer Interface’ (pBCI) nun ins Spiel?

Zander: Ganz einfach: Eine Tastatur oder Maus per Hand zu bedienen, fällt leicht und gelingt den meisten von uns intuitiv. Der Mehrwert eines BCI für den Verbraucher – ist er nicht gerade körperlich beeinträchtigt – ist also eher gering. Doch was, wenn wir, statt einem aktiven, einen passiven Bewusstseinszustand – Gefühle, wie Angst und Freude, Anspannung, Gelassenheit und so weiter – in den Blick nehmen und versuchen, nutzbar zu machen?

  • Wenn wir uns mit einem anderen Menschen austauschen, interpretieren wir die Mimik unseres Gegenübers unaufhörlich und nutzen unser Wissen dann für unsere Interaktion. Wir verstehen, was er empfindet, und bringen dieses Wissen dann in unserer Interaktion mit dem anderen zur Anwendung. Ein Computer kann so etwas nicht – noch nicht. pBCI-Technologie eröffnet uns die Möglichkeit, Computer hier nun mit dem erforderlichen Rüstzeug auszustatten. Sie werden in die Lage versetzt, zu verstehen, dass wir gerade auf eine bestimmte Situation reagieren und zu interpretieren, wie wir dies tun – quasi unsere Mimik wahrzunehmen, ohne uns zu sehen. 15 Jahre Forschung haben mir gezeigt, dass man die Adaption eines Computers an einen Nutzer durch pBCI-Daten spürbar verbessern kann.
  • So kann zum Beispiel sichergestellt werden, dass ein Nutzer stets die richtige Menge an Informationen erhält – nicht zu viele und nicht zu wenige – so dass er innerhalb der Interaktion nie über-, aber auch nie unterfordert wird. Eine andere Anwendungsmöglichkeit ist die Optimierung des Trainings von KI-Modellen – etwa darauf, was einen Anwender wirklich interessiert und was nicht. KI kann über pBCI in die Lage versetzt werden, zu verstehen, wie Anwender die sie umgebende Welt tatsächlich wahrnehmen – um dann auf eine ganz neue, nutzerfreundlichere Art und Weise mit ihnen zu interagieren. Das ist es, was wir, bei Zander Labs, dann eine Neuroadaptive KI nennen würden.

Praktische pBCI-Anwendungsfälle

Pinnow: Können Sie unseren Lesern dieses Konzept einmal an einigen praktischen Anwendungsfällen illustrieren?

Zander: Natürlich, kein Problem! Sagen wir, Sie wollen eine neue Sprache lernen. Wenn Sie das mit einem Computerprogramm machen, ist es manchmal zu einfach. Dann langweilen Sie sich. Dann ist es wieder zu schwierig, zu schnell. Sie verlieren den Anschluss, denken, dass Sie es nie schaffen werden und resignieren. Wenn Ihrem Sprachtrainingsprogramm nun Daten zum mentalen Zustand ihres Gehirns in Echtzeit zur Verfügung stehen würden, könnte es verstehen, an welchem Punkt Sie überrascht und überanstrengt oder gelangweilt waren – und die Arbeitslast entsprechend nutzerspezifisch und in Echtzeit herauf oder herunterfahren. Sie könnten genau in der für Sie richtigen Geschwindigkeit lernen – und damit deutlich bessere Lernerfolge erzielen.

  • Ein anderer Anwendungsfall könnte etwa die Texteingabe in Smartphones sein. Sie kennen das bestimmt: Sie tippen ein Wort ein und wenn Sie es dann überprüfen, ist es gar nicht das Wort, das sie eigentlich eintippen wollten. Die Autokorrektur hat es ohne Ihre Zustimmung einfach geändert. Sie wollten etwa ‚Peter‘ schreiben und nun steht dort ‚Petra‘. Das zu korrigieren, immer und immer wieder, nimmt viel Zeit in Anspruch, ist häufig mit Frustrationen verbunden. Ihr Gehirn sendet in solch einer Situation ein klares Signal aus. Und das können wir unter Zuhilfenahme von pBCI für Sie nutzbar machen. Etwa indem es an das Textprogramm weitergeleitet wird, das sie dann automatisch fragen würde, ob es die Autokorrektur zurücknehmen soll oder ob Sie direkt ein anderes Wort eingeben möchten.
  • Auch bei der Autofahrt könnte pBCI eine echte Hilfe sein: Sagen wir, Sie fahren mit ihrem Wagen und werden Zeuge eines Unfalls. Sie empfinden Anspannung, Belastung und Unaufmerksamkeit für den übrigen Verkehr. In Gedanken sind Sie beim Unfall. Dank pBCI könnte Ihr Autocomputer dann all das registrieren und, um Ablenkungen und Stress zu reduzieren, eingehende Telefonanrufe blockieren und die Musiklautstärke reduzieren, um es Ihnen zu ermöglichen, sich besser auf das Fahren zu konzentrieren.

pBCI-Technologie zum Training von KI- und ML-Modellen

Pinnow: Sehr interessant! Sie haben schon erwähnt, dass pBCI-Technologie auch beim Training von KI- und ML-Modellen helfen kann. Können Sie uns das einmal näher erläutern?

Zander: Schauen wir uns einmal an, wie Tesla seinen Autopiloten trainiert oder wie OpenAI es mit ,ChatGPT’ macht. Immerzu ist für das Training menschliches Feedback erforderlich. Sie brauchen menschliche Experten, die den Modellen sagen, was sie richtig und was sie falsch gemacht haben. Bei Tesla etwa, sitzen diese Experten vor 360-Grad-Displays, betrachten eine Fahrt in ,Slow Motion’ und teilen den Modellen dann manuell mit, was konkret passiert, ob die Modellreaktion in Ordnung war oder eben nicht. Viel Arbeitszeit, viele Arbeitskräfte werden hierzu benötigt.

  • Dabei ließe sich das Training viel einfacher, schneller und genauer handhaben, wenn wir, durch den Einsatz von pBCI-Technologie, ‚richtig‘ und ‚falsch‘ durch ‚mag ich‘ und ‚mag ich nicht‘ ersetzen würden. Implementieren wir die Technologie in ein Trainingsprogramm, kann eine KI viel schneller – und präziser – lernen, als dies manuell jemals möglich wäre.

Konkurrenzsituation auf dem Markt für neuroadaptive Technologie

Pinnow: Und wie steht es um die Konkurrenz? Ist der Markt der neuroadaptiven Technologie schon hart umkämpft? Wenn ich an BCI denke, kommt mir vor allem ,Neuralink’ in den Sinn. Wie ist Zander Labs hier aufgestellt?

Zander: Da die Technologie noch relativ jung ist, der Markt gerade erst erschlossen wird, ist die Konkurrenzsituation noch nicht stark ausgeprägt. Alle forschen und entwickeln noch nebeneinander her – auch ,Neuralink’. Was uns eklatant von ihnen unterscheidet, ist unser Ansatz. Sie setzen auf invasive, wir auf nicht-invasive Verfahren. ,Neuralink’ zielt darauf ab, Elektroden an bestimmten Punkten des menschlichen Gehirns zu implementieren, die dann sehr spezifische Signale erfassen können, um traditionelle, aktive BCI zu nutzen.

  • Das wollen wir aber gerade nicht: Wir wollen der passiven BCI-Technologie zum Durchbruch verhelfen. Hier gibt es zwar noch kleinere ‚Konkurrenten‘, wie Emotiv und Urable, aber die haben, im Gegensatz zu Zander Labs, sehr spezifische Anwendungsfälle. Dort werden sie sicherlich auch erfolgreich sein. Davon bin ich überzeugt. Aber der Ansatz von Zander Labs ist viel universeller als ihre. Ins Gehege werden wir uns da nicht kommen.

pBCI als Erfolgsfaktor für Deutschland und Europa im Wettlauf um moderne KI-Technologien

Pinnow: Und was sind die nächsten Schritte bei Zander Labs? Woran arbeiten Sie gerade?

Zander: Zurzeit bildet die translationale Forschung und Entwicklung unseren Arbeitsschwerpunkt. Wir arbeiten an Möglichkeiten, unsere pBCI-Technologie weiter zu optimieren. Damit sie besser an andere Technologien andocken kann, damit wir Hirnsignale noch besser für KI-Trainings nutzen können. Hierum wird es sich bei uns in den kommenden Jahren vor allem drehen.

Pinnow: Und zum Schluss: Wo sehen Sie pBCI langfristig? Welche Chancen und Möglichkeiten sehen Sie?

Zander: Ich bin der festen Überzeugung, dass sich uns in Europa mit pBCI eine einzigartige Möglichkeit bietet. Wir können hier eine KI entwickeln, die in den USA und in China einfach nicht entwickelt werden kann. Einfach weil dort die technischen Grundlagen, das erforderliche Know-how fehlen, weil wir ihnen hier in Europa schon mehr als nur einen Schritt voraus sind.

  • pBCI ist eine einzigartige Technologie, die das Zeug dazu hat, Deutschland und Europa im Wettlauf um moderne KI-Technologien einen entscheidenden Schritt voranzubringen.

Pinnow: Sehr geehrter Herr Professor Zander, ich danke Ihnen sehr für dieses informative Gespräch!

Weitere Informationen zum Thema:

btu Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg
Fakultät 1 / Fachgebiet Lichtenbergprofessur Neuroadaptive Mensch-Technik-Interaktion / Prof. Dr. rer. nat. Thorsten O. Zander

btu Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg
Fakultät 1 / Fachgebiet Lichtenbergprofessur Neuroadaptive Mensch-Technik-Interaktion / Leitung des Fachgebiets: Prof. Dr. rer. nat. Thorsten O. Zander / Lichtenbergprofessur

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