Aktuelles, Experten, Gastbeiträge - geschrieben von ks am Mittwoch, Dezember 9, 2009 16:52 - noch keine Kommentare
Voynich-Manuskript für viele das größte Rätsel der Kryptografie-Geschichte
220-seitige Handschrift in unbekannten Buchstaben verfasst
Von unserem Gastautor Klaus Schmeh
[datensicherheit.de, 09.12.2009] Das Voynich-Manuskript gilt für viele als das größte Rätsel der Kryptografie-Geschichte. Die 220-seitige Handschrift ist in unbekannten Buchstaben verfasst, und bisher es niemand geschafft, den Sinn dieses seltsamen Werks zu entziffern – sofern es überhaupt einen Sinn gibt. Auch die darin enthaltenen Bilder haben bisher mehr Fragen als Antworten aufgeworfen. Wer das Buch verfasst hat, ist ebenfalls nicht bekannt:
Bisher konnte noch niemand das Voynich-Manuskript entschlüsseln. Dank einer neuen Untersuchung kann man nun immerhin das Alter des Dokuments eingrenzen.
2009 genehmigte die „Beinecke-Library“ dann doch eine materialwissenschaftliche Untersuchung. Sie wurde von Experten der Universität Arizona und des „McCrone-Forschungsinstituts“ in Chicago durchgeführt und vom Österreichischen Rundfunk (ORF) dokumentiert. Das Ergebnis wurde am 3. Dezember 2009 der Öffentlichkeit vorgestellt.
Gemäß dieser Untersuchung kann die Entstehung des „Voynich-Manuskripts“ mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf die Zeit zwischen den Jahren 1404 und 1438 eingegrenzt werden – ist diese Datierung korrekt, dann ist insbesondere geklärt, dass das Manuskript keine Fälschung aus dem frühen 20. Jahrhundert ist. Letzteres wurde immer wieder vermutet, da die Existenz des Buchs erst seit etwa 100 Jahren zweifelsfrei belegt ist.
Der ORF berichtet am 10. Dezember 2009 in einer Reportage über die Untersuchung:
„Das Voynich Rätsel — Die geheimnisvollste Handschrift der Welt“, ORF 2, 21.05 Uhr.
Ist die neue „Voynich“-Datierung korrekt, dann ist dies zwar eine Überraschung, da in der Literatur oft eine Entstehung zwischen 1450 und 1520 als wahrscheinlich angegeben wird. Von einer Sensation zu sprechen, wäre angesichts der geringen Differenz der beiden Zeiträume jedoch übertrieben. Bestätigt hat sich durch die Untersuchungen die Einschätzung einiger Kunsthistoriker, die als frühestmögliche Entstehungszeit die Mitte des 14. Jahrhunderts angaben — die im Manuskript enthaltenen Pflanzenbilder sind in einem Stil gezeichnet, der in diesem Zeitraum erstmals nachgewiesen ist.
Dagegen sind dann einige spekulative Theorien — von denen gibt es zum „Voynich-Manuskript“ sehr viele — nicht mehr haltbar. So lebte der oft als möglicher Autor genannte Wissenschaftler und Magier John Dee (1527-1608) genauso zur falschen Zeit wie der Alchemist Edward Kelley (1555-1594). Auch der Pharmazeut Jacobus Sinapius (1575-1622), der das Manuskript vermutlich besessen hat, kann angesichts seiner Lebensdaten kaum der Verfasser gewesen sein. Nicht zuletzt ist auch das italienische Universalgenie Leonardo da Vinci (1452-1519) einige Jahre zu spät geboren, um infrage zu kommen.
Interessant ist die neue „Voynich“-Datierung in jedem Fall für Kryptografie-Historiker. Die große Blüte, die die Kryptografie in der Renaissance-Zeit erlebte, stand in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts noch am Anfang. Demnach erscheint es unwahrscheinlich, dass der Autor ein allzu hochwertiges Verschlüsselungsverfahren angewendet hat. Umso erstaunlicher ist es, dass bisher niemand das „Voynich-Manuskript“ entziffern konnte.
Klaus Schmeh ist Autor des Buchs „Codeknacker gegen Codemacher“, in dem auch das „Voynich-Manuskript“ behandelt wird.
Weitere Informationen zum Thema:
datensicherheit.de, 08.12.2009
Neue Erkenntnisse zum Voynich-Manuskript: Pergament zwischen 1404 und 1438 hergestellt / Handschrift offenbar authentisch und wesentlich älter als angenommen – aber bisher nicht entschlüsselt
Klaus Schmeh
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