Aktuelles, Experten - geschrieben von am Mittwoch, Januar 16, 2013 23:11 - noch keine Kommentare

Historische Präparate dokumentieren Krankheitsbilder vergangener Zeiten

Medizinstudium an der Friedrich-Alexander-Universität soll durch Rückgriff auf  Feuchtpräparate praxisnäher gestaltet werden

[datensicherheit.de, 16.01.2013] Mit Unterstützung der Mercator-Stiftung will die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) historische Exponate wieder bei der Ausbildung angehender Mediziner einsetzen – dafür soll die FAU für ein Jahr rund 50.000 Euro erhalten, womit sie zu den nur neun Universitäten in Deutschland gehört, die von der Stiftung im Rahmen der Initiative „SammLehr – an Objekten lehren und lernen“ gefördert werden.
Bis in die 1960er-Jahre war die Pathologische Sammlung ein Kernstück bei der Ausbildung der Medizinstudenten. Dann fanden Dias ihren Weg in die Hörsäle und die Präparate wanderten ins Depot. Heute sähen die Studentinnen und Studenten in ihren Kursen mehr und mehr digitale Aufnahmen sowie Animationen und entfernten sich so immer stärker vom eigentlichen Lerngegenstand, dem menschlichen Organismus, sagt Dr. Tilman Rau, Oberarzt am Pathologischen Institut der FAU. Dabei sei der direkte Kontakt mit einem Organ oder Gewebe viel eindrücklicher als ein Foto, findet Dr. Rau. Deshalb möchte der Oberarzt den angehenden Medizinern die Präparate aus der Pathologischen Sammlung der Universität zugänglich machen. Nach eigenen Angaben beherbergt die Pathologische Sammlung der FAU diverse „medizinische Schätze in Ethanol und Formalin“ – mehr als 1.000 Organe seien als Feuchtpräparate konserviert. Seit Jahrzehnten aber ruhten diese Präparate im Depot.
Die meisten Exponate der Sammlung seien mehr als 100, einige sogar mehr als 150 Jahre alt. Dennoch – oder gerade deshalb – seien sie bedeutsame Hilfsmittel für die Lehre, meint Dr. Rau. So könnten sie zum Beispiel Krankheitsbilder zeigen, die man heute nicht mehr oder kaum noch findet. Eine von Tuberkulose stark geschädigte Lunge zum Beispiel oder riesige – da unbehandelte – Tumoren. Eine Besonderheit der Erlanger Sammlung sei, dass die Herkunft der Organe in den meisten Fällen eindeutig zu klären sei – Katalognummern führten zu Sektionsbüchern und zu Krankenakten, die noch immer im Archiv der Universität aufbewahrt würden. Die Krankengeschichten ließen sich also nachvollziehen, wie beim Präparat eines Halswirbelsäulenbruchs von einem jungen Mann nach dem Sprung in den Dechsendorfer Weiher. An solchen Präparaten könne man üben, Befunde zu erheben – durch exakte Begutachtung und Beschreibung des Präparats hinsichtlich Form, Farbe, Struktur, Konsistenz und Haptik.
Gelernt werden soll aber nicht nur, wie sie zu beschreiben sind, welche Krankheitsbilder sie zeigen – die angehenden Mediziner erfahren auch, wie die Präparate erhalten werden können und warum das wichtig und verantwortungsvoll ist. Ein Problem von Sammlungen sei, dass sie ohne kontinuierliche Pflege, ohne ihre Wiederbelebung durch Projekte wie das von der Mercator-Stiftung unterstützte Lehrvorhaben verkommen und verloren gingen – oft genug unwiederbringlich. Dies sei, zumal im Falle von menschlichen Präparaten, besonders tragisch. Deshalb sei das Projekt so wichtig, erklärt der Kustos der Sammlungen an der FAU, Udo Andraschke.
In einem ersten Schritt wird ein studentischer Kreis Interessierter unter fachmännischer Anleitung sukzessive die pathologische Lehrsammlung erhalten und erweitern. Sie erlernen zum Beispiel von einem Präparator, wie die Organe gereinigt und konserviert werden und wie man sie so im Glas arrangiert, dass der Betrachter alle Besonderheiten deutlich erkennt. Gleichzeitig setzen sie sich mit ethischen und ästhetischen Aspekten der Präparation auseinander, lernen über die Fachgeschichte, über ihre Praktiken und den Wandel ihres Wissens. Schon ein Semester später kann die Lehrsammlung dann zum Einsatz kommen, wovon alle Studentinnen und Studenten der Medizinischen Fakultät profitieren sollen. Sammlungsgeschichtlich und wissenschaftsgeschichtlich begleitet wird das Projekt durch FAU-Kustos Andraschke; unterstützt wird es außerdem durch die Expertise des Berliner Medizinhistorischen Museums in Fragen der Präparation und ihrer Techniken.

Weitere Informationen zum Thema:

Stiftung Mercator
SammLehr – An Objekten lehren und lernen



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