Aktuelles, Branche, Veranstaltungen - geschrieben von dp am Donnerstag, Februar 6, 2020 11:41 - noch keine Kommentare
IT-DEFENSE 2020: Grenzenlosigkeit als Chance und Risiko
Internet-Pionier Dr. Paul Vixie warnt vor unerwünschten Nebenwirkungen des globalen Internetworkings
[datensicherheit.de, 06.02.2020] Zum Auftakt des zweiten Konferenztages der „IT-DEFENSE 2020“ in Bonn hielt Internet-Pionier Dr. Paul Vixie, Mitbegründer, Vorsitzender und „CEO“ von Farsight Security, einen Vortrag über „Zustimmung, Anpassung und Zusammenarbeit im Internet-Zeitalter“. Für sein Wirken im Zusammenhang mit dem DNS und mit Anti-Spam-Technologien wurde er 2014 in die „INTERNET HALL of FAME“ aufgenommen.
Dr. Paul Vixie: Mahnende Worte eines Internet-Pioniers
Traditionelles Völkerrecht bedroht
Menschliche Gewohnheiten und Handlungen in der realen Welt („Meatspace“) spiegelten sich auch ziemlich eindeutig in der virtuellen Welt („Cyberspace“), im Internet, wider. Dennoch seien beiden Welten nicht vollkommen kongruent – und das Internet, gewissermaßen als „digitales Nervensystem“ der Menschheit, nehme sogar Einfluss auf die reale Welt in ungeahntem Ausmaß.
Es müsse darüber diskutiert werden, ob z.B. die anerkannten, traditionellen Regeln des Völkerrechts seit dem Westfälischen Friedensschluss von 1648 in Zukunft noch Gültigkeit haben werden bzw. ob wir nicht einem postnationalen Zeitalter entgegengehen.
Internetworking erzwingt Kooperation – einerseits…
Zwischen den Netzwerken zu agieren („Internetworking“) erfordere Kooperation, so Dr. Vixie. Für das Internet heiße dies u.a., dem -Protokoll zu folgen, um verlässlich gehört und verstanden zu werden. Die Interoperabilität überwinde den Wettbewerb. So würden nationalstaatliche Opponenten gezwungenermaßen kooperieren, um gegenseitig verstanden zu werden. Andererseits würden in der Wirtschaft Konkurrenten im Wettbewerb um einen gerechten Marktanteil ringen. Daher bedeute Kooperation eben auch nur ein vorübergehendes Gleichgewicht.
Eigentlich habe sich das Internet entwickelt, um Monopole auf dem Kommunikationsmarkt zu umgehen. Dr. Vixie betonte, dass er nichts gegen eine kommerzielle Internet-Nutzung habe, denn nur so habe es sich in dem uns heute gewohnten Maße weiterentwickeln können – wäre es der akademischen Welt vorbehalten geblieben, wohl kaum.
Kooperation vs. Missbrauch
Kooperationsbereitschaft könne aber auch missbraucht werden. Als Beispiele führte er Spam, Phishing oder Piraterie bei Geistigem Eigentum sowie DDoS-Attacken etc. an. Konkret bedeutet dies laut Dr. Vixie, dass unsere Bereitschaft, dass Internet-Protokoll korrekt anzuwenden und die globalen Identifier-Zuweisungen zu respektieren, gegen uns verwendet werden kann. Alles, was im großen Maßstab missbraucht werden kann, sei in seiner Existenz bedroht – und das Internet sei in seinen Dimensionen überragend im Vergleich mit der realen Welt. Kooperation könne also gar als Waffe bzw. Angriffs-Vektor missbraucht werden.
Er kritisierte auch die um sich greifende „Umsonst-Kultur“: So würden Video- oder Audio-Dateien im Internet kostenlos – indes mit Werbeeinblendungen versehen – angeboten, was eine Beeinflussung des Kulturschaffens, der Schöpfung von Kunst, befürchten lasse.
Staat und Wirtschaft im globalen Kampf um Herrschaftsgebiete
Er zitierte die US-Wirtschaftswissenschaftlerin Shoshana Zuboff, welche den Begriff „Überwachungskapitalismus“ geprägt hat. Zuboff habe die Frage aufgeworfen „Who knows? Who decides who knows? Who deicides who decides who knows…?“ – sinngemäß also: „Wer weiß etwas? Wer entscheidet, wer etwas weiß? Wer entscheidet, wer entscheidet, wer etwas weiß…?“
Die Domänen des Handelns für Nationalstaaten und die Wirtschaft hätten sich aus der Geschichte über den Boden über die Meere und den Luftraum in das Weltall und nun in die IT-Welt ausgedehnt. Die Gültigkeit des anerkannten Völkerrechts seit dem Westfälischen Frieden könne unterminiert werden, zumal sich heute große IT-Unternehmen weltweit aufführten wie seinerzeit etwa die Niederländische Ostindien-Kompanie im kolonialen Kontext im 17. und 18. Jahrhundert.
Brutale Auseinandersetzungen und Angriffe befürchtet
Das Internet sei nicht mit dem Bewusstsein geschaffen worden, der Öffentlichkeit dienlich zu sein. Man könne aber nur behalten, was man verteidigen kann – Angriffe auf unsere Lieferketten seien zu erwarten, so Dr. Vixie.
Im Kontext der Politik und Wirtschaft drohe eine brutale Zukunft. Die „Westfälische Ära“ sei zwar noch nicht ganz vorüber, denn noch beherrschten Nationalstaaten ihr Gebiet, die Hoheitsgewässer und den Luftraum – im Erd-Orbit sehe es da schon anders aus und erst recht im „Cyberspace“, denn dort gebe es überhaupt keine Grenzen.
Weitere Informationen zum Thema:
IT-DEFENSE 2020
5.-7. Februar 2020 in Bonn
FARSIGHT SECURITY
Dr. Paul Vixie / Chairman, CEO and Cofounder
Wikipedia
Shoshana Zuboff
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