Aktuelles, Experten - geschrieben von dp am Donnerstag, Oktober 27, 2022 18:09 - noch keine Kommentare
Quick Freeze: Entwurf des Bundesjustizministeriums erfährt Zustimmung und Nachbesserungswünsche
Bürgerrechtler nehmen Stellung zur Vorratsdatenspeicherung-Alternative per Quick Freeze
[datensicherheit.de, 27.10.2022] Digitalcourage sieht nach eigenen Angaben das sogenannten Quick Freeze als Chance an und begrüßt den betreffenden Vorschlag des Bundesjustizministers. Auch die Piratenpartei befürwortet den „Quick Freeze“-Entwurf des Bundesjustizministeriums. Damit soll nun die Möglichkeit geschaffen werden, die jahrzehntelange Debatte zur Vorratsdatenspeicherung zu beenden und den Strafverfolgungsbehörden endlich ein rechtsstaatliches Instrument an die Hand zu geben.
Von der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung zu Quick Freeze
Schon seit langer Zeit arbeiten Bürgerrechtler für die Abkehr von der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung. Dieser Erfolg beruhe auf viel langfristiger Arbeit der Zivilgesellschaft. Seit 2002 kämpft Digitalcourage (damals FoeBuD) gegen die Vorratsdatenspeicherung – mit einer ganzen Reihe von Großdemonstrationen unter dem Motto „Freiheit statt Angst“, mit Argumenten, Aufklärung, Kreativität und vielen Aktionen, mit einer ganz breiten Bewegung von Bündnispartnern.
Digitalcourage war bereits an der Verfassungsklage des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) beteiligt, die 2010 erfolgreich die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland zum ersten Mal zu Fall gebracht hat und führen den Kampf der Zivilgesellschaft gegen diese Form der Massenüberwachung seit nunmehr zwanzig Jahren.
Im Februar 2018 wurde eine aktuell laufende Verfassungsbeschwerde (BVer2683/16) von Digitalcourage vom Bundesverfassungsgericht angenommen: Mehr als 37.000 Menschen haben die Klage mitunterzeichnet und über zwanzig prominente Mitbeschwerdeführer unterstützen sie – neben Rena Tangens und padeluun von Digitalcourage u.a. der Kabarettist Marc-Uwe Kling, der ex-Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske, die Schriftstellerin Juli Zeh, der katholische Sozialethiker Friedhelm Hengsbach, der Europaabgeordnete Patrick Breyer und der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes Frank Überall.
Quick Freeze als Erfolg der Zivilgesellschaft
Digitalcourage meldet indes dazu noch Nachbesserungsbedarf an, lobt aber, dass damit „endlich die Chance für einen ernsthaften Dialog“ geschaffen wird. Digitalcourage zeigt sich jedoch besorgt über die „uneinsichtige Position der Bundesinnenministerin Nancy Faeser“ und fordert, dass diese die „überholte Idee Vorratsdatenspeicherung“ endlich aufgibt: „Nancy Faeser steckt noch in alten ideologischen Grabenkämpfen fest, während andere schon aufeinander zugehen, um an einer Lösung zu arbeiten“, kommentiert Konstantin Macher von Digitalcourage.
Mit dem vorliegenden Gesetzesvorschlag schaffe Bundesjustizminister Marco Buschmann die Möglichkeit, die Vorratsdatenspeicherung „endgültig zu beerdigen“ und liefere damit endlich die „Chance auf eine rechtsstaatliche Lösung“ – dies sei ein großer Erfolg für die Zivilgesellschaft und ein breites Bündnis von zivilgesellschaftlichen Akteuren, welche sich „seit vielen Jahren immer wieder vehement gegen Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen haben“.
Jetzt komme es darauf an, dass Bundesinnenministerin Faeser ihre radikale Position – „die rückwärtsgewandte Forderung nach einer IP-Vorratsdatenspeicherung“ – aufgibt. „Diejenigen die bockig immer noch eine Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen fordern – und damit eine anlasslose Massenüberwachung – verhindern mit ihren Maximalforderungen eine konstruktive Lösung aus ideologischen Gründen”, betont Julia Witte von Digitalcourage.
Auch bei Quick Freeze noch Nachbesserungen nötig
Eine vorläufige Analyse von Digitalcourage zeige aber auch, dass das Gesetz noch Nachbesserungsbedarf habe: „Dazu gehört, dass es Schutzmaßnahmen braucht, um einem Missbrauch der Instrumente und einer Ausweitung vorzubeugen.“ Das Gesetz müsse explizit festschreiben, dass keine neue Speicherpflicht für Internet-Serviceprovider entsteht: Provider dürften nicht durch eine „Quick Freeze“-Anordnung dazu verpflichtet werden, Daten zu speichern, welche sie sonst im laufenden Betrieb gar nicht erheben würden.
Digitalcourage sieht auch Risiken darin, „den Verzicht auf eine Mindestspeicherfrist nur in der Begründung des Gesetzes zu erwähnen, statt das im Gesetz zu verankern“. Dies lade zu einer späteren Einführung einer grundsätzlichen Mindestspeicherfrist für Provider ein. Eine vorgeschriebene Mindestspeicherfrist müsse aber ausgeschlossen werden, um Akzeptanz für das „Quick Freeze“-Verfahrung sicherzustellen.
Digitalcourage wird demnach die Verhandlungen zum Gesetzesentwurf begleiten, „damit sich in den Details kein fauler Kompromiss versteckt“.
Auch Piratenpartei befürworten Quick Freeze
Auch die Piratenpartei hat Stellung zu dem am 25. Oktober 2022 von Bundesjustizminister Buschmann vorgelegten Gesetzesentwurf zum sogenannten „Quick Freeze“-Verfahren genommen: „Dieser Entwurf sieht vor, dass Telekommunikationsanbieter verpflichtet werden können, Verkehrsdaten mit möglichem Bezug zu Straftaten einen Monat lang zu speichern, damit diese von den Ermittlungsbehörden verfolgt werden können.“
Dieses „Einfrieren“ der Daten solle dabei nur durch die Anordnung eines Richters möglich sein. Danach habe die Ermittlungsbehörde maximal einen Monat Zeit, einen Richterbeschluss zu erwirken, um die eingefrorenen Daten zur Auswertung zu erhalten und zu nutzen.
Sven Bechen, stellvertretender politischer Geschäftsführer der Piratenpartei, befürwortet nach eigenen Angaben diesen Entwurf: „Im Gegensatz zu der geforderten anlasslosen Vorratsdatenspeicherung der Innenministerin Faeser, stellt das ,Quick Freeze’-Verfahren einen tatsächlich sinnvollen Mechanismus dar.“ Mit dieser Methode würden die Behörden die Metadaten eines Verdächtigen vom Provider im Verdachtsfall lediglich kurzzeitig aufbewahren lassen und nur mit richterlicher Genehmigung Zugriff darauf erhalten. „Damit wird jede solche Speicherung klar und begründet dokumentiert. Eine anlasslose Massenüberwachung, wie im Ursprungswunsch von Nancy Faeser, wäre somit nicht gegeben“, so Bechen.
Quick Freeze funktioniert, wenn Telekommunikations-Anbieter entsprechende Daten freiwillig vorhalten
Mit dieser Methode werde die Menge der zu speichernden Daten auf das notwendige Maß begrenzt, da bei Telekommunikations-Dienstleistern aus geschäftlichen Gründen ohnehin bereits vorhandene und künftige Verkehrsdaten gesichert werden dürften. Damit das „Quick Freeze“-Modell funktionieren kann, müssten Telekommunikations-Anbieter entsprechende Daten freiwillig vorhalten.
„Dies tun sie teilweise aus Abrechnungs- und Sicherheitsgründen ohnehin. Wichtig dabei ist, dass auch weiterhin Telekommunikationsanbieter, die keine Speicherung der Verkehrsdaten vornehmen, nicht zu dieser gezwungen werden.“ Zudem wäre eine neue anlasslose Speicherpflicht nicht mit dem Koalitionsvertrag der „Ampel“ vereinbar.
Daher befürwortet die Piratenpartei Deutschland den Entwurf Buschmanns und warnt „dringlichst“ davor, Bundesinnenministerin Faesers Drängen auf eine anlasslose Massenüberwachung nachzugeben.
Weitere Informationen zum Thema:
Bundesministerium der Justiz, 25.10.2022
Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Sicherungsanordnung für Verkehrsdaten in der Strafprozessordnung
PATRICK BREYER
Vorratsdatenspeicherung
datensicherheit.de, 26.110.2022
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