Aktuelles, Branche, Gastbeiträge - geschrieben von cp am Dienstag, Mai 13, 2025 16:05 - noch keine Kommentare
Domain-Hijacking: Wie Unternehmen ihre digitale Identität verlieren können
Unternehmen sollten ihre strategische Assets durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen schützen und im Ernstfall reaktionsfähig sein.
Von unserem Gastautor Christian Dallmayer, General Manager united-domains GmbH
[datensicherheit.de, 13.05.2025] Hinter jeder Domain steckt mehr als eine Webadresse – sie ist Aushängeschild, strategisches Asset und genießt das höchste Vertrauen der Kunden. Umso schwerwiegender sind Angriffe, die auf die Kontrolle einer Domain abzielen. Beim sogenannten Domain-Hijacking verschaffen sich Angreifer den Zugriff auf die Verwaltungsrechte – mit potenziell weitreichenden Folgen: von Phishing-Kampagnen über Reputationsschäden bis hin zu Angriffen auf interne Systeme.
Die Angriffe erfolgen häufig unbemerkt, sind in ihrer Wirkung aber gravierend: Von der Umleitung des Webverkehrs auf gefälschte Inhalte bis hin zum Verlust geschäftskritischer E-Mail-Kommunikation. Unternehmen sollten deshalb dringend prüfen, ob ihre Domain-Sicherheitsstrategie heutigen Anforderungen noch gerecht wird.
Typologie und Abgrenzung von Domain-Hijacking
Im Gegensatz zu verwandten Bedrohungsszenarien wie DNS-Hijacking oder klassischem Phishing zielt Domain-Hijacking unmittelbar auf die Kontrolle über die Domain selbst. Angreifer versuchen, sich durch Täuschung, Manipulation oder gar juristische Verfahren Zugang zur Verwaltung der Domain zu verschaffen – sei es durch Login-Daten, technische Lücken oder gezielte Missbrauchsversuche bei Registraren.
Typische Angriffsvektoren reichen von Social Engineering bis hin zu operativen Schwachstellen. Häufig setzen Angreifer auf Täuschungstaktiken, um Mitarbeitende zur Preisgabe sensibler Zugangsdaten zu bewegen. Oder es wird versucht, Prozesse in der Domainverwaltung auszunutzen – etwa durch unautorisierte Änderungen oder gezielte Anfragen. Auch sogenannte Reverse Domain Hijacking-Verfahren, bei denen unberechtigte Markenansprüche vorgegaukelt werden, zählen zu den bekannten Methoden. Zwar bleibt der tatsächliche Erfolg solcher Versuche begrenzt, doch bereits der Aufwand zur Abwehr kann für Unternehmen erheblich sein.
Praxisbeispiele mit Signalwirkung
Bereits seit den frühen Jahren des Internets ist Domain-Hijacking ein reales Risiko. So erlangten Angreifer bereits 1999 über Social Engineering kurzzeitig Kontrolle über die Domain microsoft.com, indem sie bei dem Domain-Registrar Network Solutions administrative Änderungen veranlassten. Der Fall gilt bis heute als mahnendes Beispiel für strukturelle Schwächen bei Domainverwaltern.
Auch Google musste in mehreren Ländern erfahren, wie schnell Domains ohne ausreichenden Schutz in falsche Hände geraten können. In Argentinien wurde die Domain google.com.ar 2021 kurzzeitig von einer Privatperson registriert, nachdem Google die Verlängerung versäumt hatte. Ein vergleichbarer Vorfall betraf zuvor bereits die vietnamesische Landesdomain. Die Auswirkungen waren jeweils temporär, aber reputationsschädigend – und unterstreichen die Notwendigkeit konsequenter Erneuerungs- und Überwachungsprozesse.
Ein weiterer Fall, der die Verwundbarkeit selbst etablierter Open-Source-Projekte offenlegte, betraf die Domain perl.com. Nach der Übernahme wurde sie durch Dritte für Wochen auf fragwürdige Inhalte umgeleitet. Ebenfalls aufhorchen ließ im letzten Jahr ein Streit um die Domain fritz.box: Nachdem die neue Top-Level-Domain .box eingeführt wurde, sicherte sich ein Dritter die Adresse – AVM musste die Domain über ein UDRP-Verfahren wieder erkämpfen.
Konsequenzen bei Domain-Verlust
Die Auswirkungen eines erfolgreichen Domain-Hijackings sind vielfältig und reichen weit über den unmittelbaren Kontrollverlust hinaus. Für Unternehmen bedeutet der Verlust ihrer Domain nicht nur eine potenzielle Unterbrechung digitaler Geschäftsprozesse, sondern auch eine massive Gefährdung der Außenwahrnehmung. Kunden, Partner und Dienstleister können im Ernstfall nicht mehr zwischen legitimem und betrügerischem Angebot unterscheiden.
Neben den unmittelbaren finanziellen Schäden drohen langfristige Reputationsverluste. Wird die Domain für Phishing, Malware-Verbreitung oder betrügerische Inhalte verwendet, kann dies das Vertrauen in die betroffene Marke dauerhaft beschädigen. Hinzu kommen juristische Herausforderungen bei der Rückgewinnung – insbesondere wenn internationale Registrierungsstellen involviert sind oder Verfahren wie die UDRP eingeleitet werden müssen.
Sicherheitsvorkehrungen auf technischer Ebene
Ein wirksamer Schutz beginnt mit der Sicherung des Zugangs zu den Domain-Verwaltungskonten. Komplexe, regelmäßig aktualisierte Passwörter und die konsequente Nutzung von Zwei-Faktor-Authentifizierung sollten heute als Standard gelten. Zusätzlich empfiehlt sich die klare Definition interner Zuständigkeiten:
- Wer ist für welche Domains verantwortlich?
- Wo sind die Zugänge dokumentiert?
- Gibt es Notfallroutinen?
Technische Schutzmaßnahmen wie Registrar Locks oder Registry Locks verhindern unautorisierte Domaintransfers und erhöhen die Integrität des Domainbesitzes. Auch die Implementierung von DNSSEC, das die Authentizität von DNS-Antworten verifiziert, stellt eine wichtige Ergänzung der Sicherheitsarchitektur dar. Besonders für Unternehmen mit hoher Markenbekanntheit ist diese Maßnahme essentiell, um gezielte Manipulationen im DNS-System auszuschließen. Wir empfehlen deshalb dringend, die Hauptdomain(s) einem zusätzlichen Schutz zu unterziehen und nur wenigen autorisierten Personen den Zugriff auf die DNS-Einstellungen einzuräumen.
Frühwarnsysteme und Monitoring
Ein weiterer zentraler Baustein der Sicherheitsstrategie ist die kontinuierliche Überwachung von Domain-bezogenen Daten. Dazu gehören regelmäßige WHOIS-Kontrollen ebenso wie die Überwachung von DNS-Einstellungen und Traffic-Strukturen. Auffällige Aktivitäten – etwa unautorisierte Nameserver-Änderungen – lassen sich so frühzeitig erkennen.
Professionelle Domain-Monitoring-Lösungen ermöglichen es darüber hinaus, neu registrierte Domains zu identifizieren, die der eigenen Marke ähneln oder auf gezielte Täuschung ausgelegt sind. Auf dieser Basis können rechtliche Schritte frühzeitig vorbereitet oder – bei Bedarf – automatisiert eingeleitet werden.
Strategischer Schutz beginnt mit Prävention
Neben den technischen Komponenten erfordert eine ganzheitliche Sicherheitsstrategie auch organisatorische Maßnahmen. Hierzu zählt eine strukturierte Domain-Portfoliopflege, die sowohl die fristgerechte Verlängerung bestehender Domains als auch die Registrierung möglicher Tippfehler- oder Typosquatting-Varianten umfasst.
Schulungen für Mitarbeiter – insbesondere in den Bereichen IT, Marketing und Recht – erhöhen das Bewusstsein für die Relevanz von Domain-Sicherheit und reduzieren das Risiko, Opfer von Social-Engineering-Angriffen zu werden. Sensibilisierung und Prozesse müssen Hand in Hand gehen, um Domain-Sicherheit nicht dem Zufall zu überlassen.
Reaktionsfähigkeit im Ernstfall
Kommt es dennoch zu einem Vorfall, ist eine strukturierte Incident-Response-Strategie entscheidend. Der betroffene Registrar sollte umgehend informiert und in die Wiederherstellung der Domain eingebunden werden. Parallel ist eine transparente Kommunikation mit relevanten Stakeholdern empfehlenswert, um Vertrauen zu wahren und Missverständnisse zu vermeiden.
Rechtlich stehen Unternehmen verschiedene Mittel zur Verfügung. Besonders relevant ist das UDRP-Verfahren, das von der Internetverwaltung ICANN für gTLDs etabliert wurde und nicht auf lokale Gerichtsbarkeit, sondern bei akkreditierten Schlichtungsstellen wie der WIPO durchführbar ist. Es ermöglicht eine vergleichsweise schnelle Klärung von Domain-Streitigkeiten – sofern die Voraussetzungen erfüllt sind. In Deutschland bietet zudem der sogenannte Dispute-Eintrag bei der DENIC eine Möglichkeit, .de-Domains bis zur gerichtlichen Klärung zu sichern.
Digitale Identität braucht rechtlichen und technischen Schutz
Domain-Hijacking ist keine hypothetische Gefahr, sondern eine reale Herausforderung für Unternehmen in der vernetzten Wirtschaft. Der Schutz der eigenen Domain ist integraler Bestandteil einer ganzheitlichen Sicherheits- und Markenstrategie. Er erfordert nicht nur technisches Know-how, sondern auch juristische Weitsicht und organisatorische Klarheit.
Unternehmen, die ihre Domain-Assets als strategisches Gut begreifen und entsprechende Schutzmaßnahmen implementieren, stärken ihre digitale Resilienz – und setzen ein klares Zeichen für Verlässlichkeit, Sicherheit und Kundenorientierung im digitalen Raum.
Über den Autor:

Christian Dallmayer, General Manager united-domains GmbH, Bild: united domains
Christian Dallmayer bringt über 15 Jahre Erfahrung in Web-, Technologie- und E-Commerce-Unternehmen mit, darunter gutefrage.net, equinux AG und 1-2-3.tv. Seit 2022 ist er bei united-domains und verantwortet als General Manager die Bereiche B2B und B2C.
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