Aktuelles, Experten - geschrieben von dp am Mittwoch, Januar 13, 2021 20:32 - noch keine Kommentare
Bestandsdatenauskunft: Warnung vor Internet-Surfspionage
MdEP Dr. Patrick Breyer kritisiert Gesetzentwurf zur Offenlegung von Bestandsdaten
[datensicherheit.de, 13.01.2021] Laut einer Meldung der Piratenpartei Deutschland vom 13. Januar 2021 sollte an diesem Tag im Bundestag ein Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD zur Reform sogenannten Bestandsdatenauskunft beraten werden, welcher Polizei, Geheimdiensten und weiteren Behörden weitreichend die Nachverfolgung der privaten Internetnutzung (d.h. des Surfverhaltens) und die Anforderung von Passwörtern zu Internetdiensten ermöglichen solle. Das Bundesverfassungsgericht habe auf Beschwerde des Europaabgeordneten Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei), der Autorin Katharina Nocun und 6.000 weiterer Bürger hin das bislang geltende Gesetz für verfassungswidrig erklärt; auch das Gesetz zur „Hasskriminalität“ liege seither auf Eis.
Bestandsdatenauskunft könnte selbst intimste Informationen offenlegen
„Unser Surfverhalten und die Passwörter zu unseren Diensten gewähren Einblick in unsere intimsten Vorlieben und Laster, unsere politische Meinung, unsere Religion und unser Sexualleben“, so Dr. Breyers Warnung.
Selbst höchste Amtsträger könne man mit so sensiblen Daten erpressen. „Wer Polizei und Geheimdiensten seine Geheimnisse blauäugig anvertraut, kennt nicht die zahlreichen Fälle, in denen Beamte ihre Möglichkeiten zum Ausspionieren ihres privaten Umfelds oder sogar zum Datenverkauf an Kriminelle missbraucht haben“, so der MdEP.
Gegen das neue Gesetz zur Bestandsdatenauskunft nach Karlsruhe ziehen
Laut Bundesdatenschutzbeauftragtem habe das Bundeskriminalamt (BKA) „schon seine bisherigen Befugnisse zur Auskundschaftung Unverdächtiger und ihrer Meldung an ausländische Behörden missbraucht“. Dass die Behörden nun auch noch unsere Internetnutzung durchleuchten dürfen sollten, „ist so unverantwortlich wie einen bissigen Hund völlig von der Leine zu lassen“.
Dr. Breyer hält nach eigenen Angaben den im Gesetz zur „Hasskriminalität“ vorgesehenen Zugriff auf die Nutzung von Internetdiensten trotz der jetzt geplanten Nachbesserungen für „verfassungswidrig“. Seine Verfassungsbeschwerde gegen ein vergleichbares Landesgesetz aus Schleswig-Holstein liege dem Bundesverfassungsgericht bereits vor. Auch gegen das neue Gesetz zur Bestandsdatenauskunft möchte Dr. Breyer nach Karlsruhe ziehen.
Offensichtlich verfassungswidriges Gesetz zur Bestandsdatenauskunft erlassen
„Die Bundesregierung hat ein offensichtlich verfassungswidriges Gesetz zur Bestandsdatenauskunft erlassen. Es mussten viele Jahre vergehen, bis das Verfassungsgericht nun die Regierung zur Korrektur zwingt“, erläutert Sebastian Alscher, Bundesvorsitzender der Piratenpartei Deutschland.
Dies zeige erneut, dass die Bundesregierung immer mehr Möglichkeiten schaffen wolle, „um in unsere Privatsphäre vorzudringen“. Sie würden beobachten, „in wieweit sich hoffentlich der bisherige Kurs ändert oder ob nun lediglich das Nötigste getan wird“. Denn bisher scheine das Vorgehen zu sein, die Grenzen unseres Grundgesetzes als Richtlinie zu verstehen, „bei der immer wieder versucht wird, den Fuß auf die andere Seite zu setzen!“, kritisiert Alscher.
Bestandsdatenauskunft verletzt Informationelles Selbstbestimmungsrecht
- Internet-Nutzungsdaten (Metadaten): „Welche Internetseiten oder Videos wir ansehen, was wir geschrieben haben, wonach wir suchen.“ Mithilfe der IP-Adresse könne unsere Internetnutzung auch dann zurückverfolgt werden, wenn wir nicht namentlich angemeldet sind.
- Internet-Bestandsdaten: „Name, Adresse, Kontodaten, Geburtsdatum und im Klartext gespeicherte Passwörter zu unseren Online-Konten und Datenspeichern.“ Die Gesetze zur sogenanntem Hasskriminalität und Bestandsdatenauskunft sähen vor, dass Polizei, Geheimdienste und viele weitere Behörden diese Daten leichter und in größerem Umfang einsehen könnten.
Die Koalition wolle mit ihrem Gesetzentwurf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 2020 umsetzen. Mit diesem Urteil habe das Gericht Teile der Bestandsdatenauskunft für verfassungswidrig erklärt. Das Urteil sei einer Sammel-Verfassungsbeschwerde gegen den staatlichen Zugriff auf Passwörter und die Identität von Internetnutzer gefolgt (sogenannte Bestandsdatenauskunft, Az. 1 BvR 1873/13, 1 BvR 2618/13). Diese sei 2013 von den Bürgerrechtlern Katharina Nocun und Dr. Patrick Breyer als Erstbeschwerdeführer neben 6.373 weiteren Bürgern erhoben worden. Das Bundesverfassungsgericht habe das Urteil damit begründet, dass die manuelle Bestandsdatenauskunft das Informationelle Selbstbestimmungsrecht und das Recht auf die Wahrung des Telekommunikationsgeheimnisses der Inhaber von Telefon- und Internetanschlüssen verletze.
Weitere Informationen zum Thema:
datensicherheit.de, 12.01.2021
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