Aktuelles, Experten - geschrieben von dp am Dienstag, September 8, 2020 21:33 - noch keine Kommentare
Bündnis für humane Bildung fordert europäische Software für Schulen
Kritik an geplanter Einführung von Microsoft-Software in Baden-Württemberg
[datensicherheit.de, 08.09.2020] Das Bündnis für humane Bildung, eine Interessengemeinschaft (IG) nach eigenen Angaben 2017 von Hochschullehrern, Wissenschaftlern und engagierten Bürger gegründet, hat sich der Überzeugung verschrieben: „Bildung lässt sich nicht digitalisieren! Digitale Instrumente können Bildungsprozesse nur unterstützen. Alternativen sind gefragt.“ In einer aktuellen Stellungnahme in Form eines Offenen Briefs kritisiert es die Kultusministerin von Baden-Württemberg – diese setzt demnach „trotz der Kritik vieler Experten“ auf Microsoft-Produkte zum Einsatz in Bildungseinrichtungen. Es gehe um „Office 365“ und eine Software zum Identitätsmanagement.
US Cloud Act könnte bei Verwendung von US-Software Schülerdaten abfließen lassen
„Es darf nicht die Gefahr bestehen, dass Schülerdaten in die USA abfließen“, betont Prof. Dr. phil. Ralf Lankau für das Bündnis. Aber genau dieses Risiko steige, wenn Schulen in ganz Baden-Württemberg Microsoft-Produkte nutzten. „Der ‚US Cloud Act‘”, so Professor Lankau, „schreibt vor, dass amerikanische Firmen wie Microsoft personenbezogene Daten herausgeben müssen, egal auf welchem Server sie liegen.“
US-Recht breche EU-Recht. Das habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) zweimal bestätigt, in seinem „Safe Harbour“-Urteil (2015) und dem aktuellen Urteil zum „Privacy Shield“ (2020). Die Richter hätten festgestellt, dass Daten europäischer Verbraucher nicht vor dem Zugriff der US-Geheimdienste geschützt seien, „auch wenn sie in Europa gespeichert werden“. Das gelte ebenso für besonders sensible Schülerdaten, warnt Professor Lankau, „was zu einer skandalösen Situation führt“.
Erhebliche Zweifel, ob sich Microsoft-Software datenschutzkonform in der Schule anwenden lässt
Diese Kritik teile der baden-württembergische Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Stefan Brink: Dieser habe „erhebliche Zweifel“, ob sich Microsoft-Produkte datenschutzkonform in der Schule anwenden ließen. Es gebe „strukturelle Probleme“, die auch Microsoft lösen müsse, wie er gegenüber der „WELT“ zum Ausdruck gebracht habe.
Gegenüber derselben Zeitung habe sich ebenfalls der hessische Datenschutzbeauftragte, Michael Ronellenfitsch geäußert: Selbst wenn die Speichercomputer in Europa stünden, könnten US-amerikanische Behörden potenziell auf Informationen zugreifen. Dasselbe gelte für cloud-basierte Anwendungen wie „GoogleDocs“ oder „iWork“ von Apple. Dies alles widerspreche der EU-Datenschutzgrundverordnung (EU-DSVGO).
Besser Software des 21. Jahrhunderts einführen, statt auf IT-Monopolen des 20. Jahrhunderts zu beharren!
Die Kultusministerin von Baden-Württemberg begebe sich damit in „juristisch fragwürdige Gewässer“, erläutert Professor Lankau. Denn die EU-DSVGO schütze keine Daten, sondern Grundrechte: „Da stößt die Debatte an eine Grenze, weil eine Ministerin nicht einfach Grundrechte von Schülern aushebeln darf.“ Das treffe auch auf Schulträger oder Schulleitungen zu. „Ein Kontrollverlust über Daten der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte ist inakzeptabel.“
Daher fordert das Bündnis für humane Bildung nach eigenen Angaben:
- DSGVO-konforme Alternativen zu US-Software
- „Linux“ / „Open Source“-Programme europäischer Unternehmen
- Verzicht auf IT-Monopole aus den USA
„,Open Source‘-Programme sind echte Alternativen“, so Professor Lankau. Die Kultusministerin von Baden-Württemberg sollte besser die „Software des 21. Jahrhunderts einführen“, statt auf IT-Monopolen des 20. Jahrhunderts zu beharren.
Weitere Informationen zum Thema:
aufwach(s)en mit digitalen Medien, 08.09.2020
Keine Schülerdaten für US-Unternehmen
aufwach(s)en mit digitalen Medien
Prof. Dr. phil. Ralf Lankau
datensicherheit.de, 21.08.2019
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