Aktuelles, Branche, Studien - geschrieben von dp am Mittwoch, Januar 23, 2019 22:48 - noch keine Kommentare
Entfernung georedundanter Rechenzentren von fünf auf 200 Kilometer angehoben
Johan van den Boogaart kommentiert Neufassung der BSI-Empfehlung
[datensicherheit.de, 23.01.2019] Kurz vor Weihnachten 2018 hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) seine Empfehlung für die Entfernung georedundanter Rechenzentren von fünf auf 200 Kilometer angehoben – die Gründe für diese Empfehlung sind im neuen BSI-Leitfaden „Kriterien für die Standortwahl höchstverfügbarer und georedundanter Rechenzentren“ genau dokumentiert. Bisher hatte das BSI einen Mindestabstand von fünf Kilometern empfohlen. Mit der neuen Empfehlung, hebt das BSI diese Distanz drastisch an. Johan van den Boogaar von Zerto nimmt zu dieser Neufassung Stellung.
Abstand künftig keinesfalls unter 100 Kilometern
„Da es aber, insbesondere durch den Blick in die Vergangenheit, nicht möglich ist, zukünftige potentiell schädliche Situationen und Ereignisse ausreichend sicher vorherzusagen, sollten einander Georedundanz gebende Rechenzentren einen Mindestabstand von circa 200 Kilometer zueinander haben“, führt das BSI in seinen Standort-Kriterien unter Punkt 3.3 aus – 40-mal so viel wie bisher. „Ist im Einzelfall ein deutlich geringerer Abstand unabweisbar“, so das BSI weiter, „ist diese Notwendigkeit schriftlich ausführlich darzulegen und einer Risikoanalyse zu unterziehen“. Doch auch dann, sollten georedundante Rechenzentren keinesfalls unter 100 Kilometer auseinanderliegen.
Der Grund die Entfernung anzuheben, liegt laut BSI darin, dass es nicht möglich sei, „zukünftige potentiell schädliche Situationen und Ereignisse ausreichend sicher vorherzusagen“. Im Klartext: Es geht um regionale Katastrophen, die auf einen Schlag beide Rechenzentren ausfallen lassen könnten. Dazu zählen neben Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Großbrände, Erdbeben, Vulkanausbrüchen oder Tsunamis auch von Menschenhand gemachte Unglücke, wie etwa Störfälle in Kernkraftwerken. Für Betreiber von Rechenzentren, insbesondere, die vom Gesetzgeber als „kritische Infrastrukturen“ (KRITIS) eingestuften, hat diese Änderung weitreichende Folgen.
Herausforderungen: Migration, neue Technologien und Anpassung der Cloud-Strategie
Die Empfehlungen des BSI für den sicheren Betrieb von Rechenzentren gälten vielen Organisationen als Richtschnur für den sicheren IT-Betrieb. Viele Branchen folgten den Empfehlungen deshalb freiwillig, andere, wie etwa die Banken-Branche, würden von ihren eigenen Verbänden bindend zur Einhaltung der Richtlinien des BSI angehalten.
„Die neuen Kriterien des BSI für die Standortwahl hochverfügbarer und georedundanter Rechenzentren werden Unternehmen kurzfristig vor zahlreichende Herausforderungen stellen und vielerorts eine Anpassung der heutigen DR-Strategie erfordern“, sagt van den Boogaart.
Unternehmen, die die bisher empfohlenen fünf Kilometer zwischen ihren georedundanten Rechenzentren eingehalten haben, müssten sich nun nach mindestens einem neuen Standort für das zweite Rechenzentrum umschauen. Van den Boogaart: „Und das wird kein Kinderspiel, bedeutet der Wechsel doch eine umfangreiche Migration von Infrastruktur, Daten und aktiven Workloads. In vielen Fällen werden Organisationen ihre heutigen Desaster-Recovery-Strategien überdenken und entsprechend anpassen müssen.“
Neue Voraussetzungen: direkte Folgen für BC/DR
Auch auf die von vielen Unternehmen genutzten Systeme für „Business Continuity“ und „Disaster Recovery“ (BC/DR), die auf Technologien wie synchroner Spiegelung, Backups und Snapshots aufbauten, habe die Empfehlung Folgen: Mit der weiteren Entfernung erhöhten sich gleichzeitig die Latenzzeiten der Daten, die zwischen den Rechenzentrum hin und her verschoben werden. Die deutlich höhere Latenzzeit zweier so weit voneinander entfernter Rechenzentren mache insbesondere die synchrone Replikation von Daten, auf der die Hochverfügbarkeit vieler Systeme aufbaue, „effektiv unmöglich“.
Wenn die verwendeten Technologien aufgrund geänderter Rahmenbedingungen nicht mehr funktionierten, bedeute dies für Unternehmen, dass sie vor dem Problem stünden, zukünftig ihre virtuelle Maschinen (VMs) mit minimalem Performance-Verlust und geringen „Recovery Point Objectives“ (RPOs) zu schützen.
„Und zu guter Letzt, kann diese neue Empfehlung komplette DR- und Backup-Strategien, die auf der Basis der bisherigen Richtlinien erstellt wurden, auf den Kopf stellen. Ganz gleich in welchem Stadium der Migration in das neuen DR-Rechenzentrum einer Organisation sein mag, die neue Richtlinie hat sehr wahrscheinlich Einfluss auf die DR-Strategien der meisten Unternehmen“, so van den Boogaart.
Asynchrone Replikation und CDP als mögliche Auswege
„Die meisten Unternehmen werden ihr zweites georedundantes Rechenzentrum wohl in einem Umkreis von weniger als 200 Kilometern haben und sind demzufolge unmittelbar von der neuen Empfehlung des BSI betroffen“, kommentiert van den Boogaart die neue Empfehlung des BSI und ihre Folgen.
„Somit stehen diese Unternehmen jetzt vor der Wahl, entweder ein drittes, weiter entferntes RZ aufzubauen, oder gleich in die Cloud zu migrieren. Dabei gibt es jedoch einen Haken. Die weitere Entfernung bereitet hinsichtlich Latenz, Bandbreite und der Größe von Snapshots unlösbare Probleme.“
Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren, bleibe nahezu nur eine technische Möglichkeit auf diese weite Entfernung Redundanz zu gewährleisten: „Continuous Data Protection“, kurz CDP, mit asynchroner Replikation.
Johan van den Boogaar
Weitere Informationen zum Thema:
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, 2018
Kriterien für die Standortwahl höchstverfügbarer und georedundanter / Rechenzentren Standort-Kriterien HV-RZ Version 1.0
datenicherheit.de, 08.05.2018
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