Aktuelles, Experten, Studien - geschrieben von am Samstag, April 13, 2024 0:05 - noch keine Kommentare

Mangel an IT-Fachkräften: Bitkom warnt vor dramatischer Verschärfung

2040 werden in Deutschland nach aktuellen Bitkom-Erkenntnissen rund 663.000 IT-Fachleute fehlen, wenn die Politik nicht massiv gegensteuert

[datensicherheit.de, 13.04.2024] Der Bitkom e.V. hat laut einer eigenen Meldung erstmals eine Langfriststudie zum Thema Fachkräftemangel vorgestellt – demnach drohen bis 2040 in Deutschland 663.000 IT-Fachleute zu fehlen. Der Bitkom-Präsident, Dr. Ralf Wintergerst, warnt eindringlich: „Ohne IT-Spezialisten verspielt Deutschland seine digitale Zukunft!“ Grundlage der Berechnungen seien u.a. Daten des Bundesinstituts für Berufliche Bildung zur Entwicklung des Fachkräftebedarfs und -angebots in diesen Berufen seit 2010 sowie Daten von Unternehmensbefragungen der „Bitkom Research“ zur Entwicklung des IT-Fachkräftemangels seit 2009.

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Abbildung: Bitkom e.V.

Bitkom-Prognose: IT-Fachkräftelücke vervierfacht sich!

Digitalverband Bitkom hat Studie am 11. April 2024 vorgestellt

„In Deutschland werden im Jahr 2040 rund 663.000 IT-Fachleute fehlen, wenn die Politik nicht massiv gegensteuert.“ Dies zeige eine am 11. April 2024 vorgestellte Studie des Digitalverbands Bitkom. Im vergangenen Jahr – 2023 – habe es 149.000 unbesetzte IT-Stellen in deutschen Unternehmen gegeben, fünf Jahre zuvor seien es erst 82.000 gewesen. Hinzu kämen Tausende offene Stellen mit IT-Schwerpunkt in Verwaltungen, Schulen oder Wissenschaftseinrichtungen.

„Der sich seit Jahren verschärfende Mangel an IT-Fachkräften betrifft das ganze Land und bremst die dringend notwendige Digitalisierung. Eine immer größer werdende Fachkräftelücke in der IT bedeutet einen Verlust von Wettbewerbsfähigkeit, Wertschöpfung, Wachstum und Wohlstand. Ohne IT-Spezialistinnen und -Spezialisten verspielt Deutschland seine digitale Zukunft“, erläutert Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst.

Bitkom-Forderung, jetzt konsequent zu handeln, damit Projektion nicht Realität wird

Die gute Nachricht sei: „Wenn wir jetzt konsequent handeln, muss diese Projektion nicht Realität werden. Notwendig ist, dass in allen Bereichen gleichzeitig die richtigen Maßnahmen eingeleitet werden.“ Die drohende Fachkräftelücke lässt sich nach den Berechnungen des Bitkom nur schließen, „wenn umgehend massiv gegengesteuert wird“. So könnten bis 2040 durch die Förderung des Quereinstiegs rund 129.500 zusätzliche IT-Fachkräfte gewonnen werden, durch Maßnahmen im Bereich Studium und Ausbildung kämen weitere rund 108.000 hinzu und 68.500 ließen sich aktivieren, indem ältere Beschäftigte länger im Job bleiben.

Unverzichtbar ist aus Bitkom-Sicht, weitere 321.000 IT-Experten über bessere Zuwanderungsmöglichkeiten nach Deutschland zu holen. Dr. Wintergerst führt aus: „Wenn wir uns extrem anstrengen, können wir die absehbare Fachkräftelücke etwa zur Hälfte aus dem Inland schließen. Die andere Hälfte aber braucht zwingend qualifizierte Zuwanderung aus allen Teilen der Welt.“

Bitkom sieht Bedarf an IT-Fachkräften in der Wirtschaft bis 2040 rasant steigen

Den Berechnungen zufolge werde das Angebot an IT-Fachkräften von derzeit 1,136 Millionen bis 2040 auf 1,256 leicht um rund 120.000 zulegen – „sofern die entsprechenden Maßnahmen auf dem aktuellen Niveau fortgeführt werden“. Dabei spiele auch der vergleichsweise geringe Altersdurchschnitt in den IT-Berufen eine Rolle. Während bis 2040 in der Gesamtwirtschaft 50,5 Prozent der derzeitigen Beschäftigten aus dem Berufsleben ausscheiden würden, seien es in den IT-Berufen nur 32,5 Prozent.

„Diese zunächst positive Ausgangslage bedeutet aber auch, dass die demographische Entwicklung die IT nach 2040 umso härter trifft. Umso wichtiger ist, dass wir jetzt die Weichen stellen und erfolgreich gegensteuern“, so Dr. Wintergerst. Denn gleichzeitig werde bis 2040 der Bedarf an IT-Fachkräften in der Wirtschaft rasant steigen. Liegt er laut Bitkom derzeit bei 1,29 Millionen, so werden es dann 1,92 Millionen sein – eine Zunahme um rund 630.000.

Bitkom rät, junge Menschen für IT zu begeistern, und Studium sowie Ausbildung zu verbessern

Durch bildungspolitische Maßnahmen wie ein Pflichtfach Informatik, mehr Kooperationen zwischen Schule und Wirtschaft sowie zusätzliche Informatik-Lehrstühle ließe sich das zuletzt bereits gestiegene Interesse an IT-Berufen verstetigen und weiter erhöhen. Dadurch könnten laut Bitkom bis 2040 rund 27.000 IT-Fachkräfte zusätzlich gewonnen werden.

Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf Mädchen und Frauen liegen. So seien aktuell nur rund 21 Prozent der Studenten und zehn Prozent der Auszubildenden im Bereich Informatik weiblich. Dr. Wintergerst: „Es gibt keinen wirklichen Grund, warum nicht genauso viele Frauen einen IT-Beruf anstreben und ergreifen sollten wie Männer.“ Wenn der Frauenanteil unter denjenigen, die Studium und Ausbildung abschließen, auf 50 Prozent erhöht würde, könnten bis 2040 weitere 25.500 IT-Fachkräfte zur Verfügung stehen. Ein weiterer Ansatzpunkt im Bereich Studium sei die Reduzierung der Abbrecherquote in den Informatik-Studiengängen, die mit 42 Prozent deutlich über dem Durchschnitt aller Studiengänge von derzeit 27 Prozent liege. Wenn die Abbrecherquote auf 20 Prozent gesenkt würde, könnten bis 2040 weitere rund 55.000 hochqualifizierte IT-Fachkräfte in Deutschland gewonnen werden.

Bitkom-Empfehlung, altere Beschäftigte im Arbeitsmarkt zu halten

Zugleich könnten bis 2040 weitere rund 68.500 IT-Fachkräfte zusätzlich zur Verfügung stehen, wenn ältere Beschäftigte über das Renteneintrittsalter hinaus freiwillig im Arbeitsmarkt blieben. Aktuell seien gerade einmal 0,9 Prozent der IT-Beschäftigten 65 Jahre alt oder älter. Um diesen Anteil zu erhöhen, brauche es finanzielle Anreize für Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen – zugleich sollten die Sozialabgaben für Erwerbstätige im Rentenalter ganz abgeschafft oder zumindest deutlich verringert werden.

„Die IT bietet häufig Arbeitsbedingungen, die eine Tätigkeit auch im Alter ermöglicht und viele Beschäftigte würden auch gerne länger arbeiten. Arbeiten jenseits der 65 ist allerdings häufig weder für die Unternehmen noch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter attraktiv“, berichtet Dr. Wintergerst. Die Unternehmen selbst seien gefordert, ältere Beschäftigte kontinuierlich weiterzubilden„und wir müssen gerade in den besonders jugendorientierten Tech-Unternehmen eine Kultur entwickeln, die Ältere als wichtigen Teil von Diversität begreift und das auch lebt“.

Bitkom plädiert, Quereinstieg in die IT weiter zu erleichtern

Die IT biete schon heute ideale Voraussetzungen für den Quereinstieg, rund ein Viertel aller Fachkräfte in der IT-Branche seien sogenannte Quereinsteiger. Durch konkrete Maßnahmen wie die Förderung von Quereinstiegsprogrammen und „Bootcamps“ sowie den Ausbau von Beratungsangeboten könne nach Berechnungen des Bitkom die Zahl der Quereinsteiger um 50 Prozent erhöht werden, was rund 129.500 zusätzlichen Fachkräften entspreche.

„Wichtig sind Flexibilität und Kreativität. So sollten etwa gemäß dem Modell Bildungsteilzeit Menschen, die sich in die IT, aber auch in andere Mangelberufe orientieren wollen, gezielt finanziell unterstützt werden. Aber auch die Unternehmen selbst müssen in ihre Zukunft investieren und Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowohl von aktiven als auch von potenziellen Beschäftigten massiv ausbauen“, betont Dr. Wintergerst.

Fachkräftelücke lässt sich laut Bitkom nur mit Zuwanderung schließen

Allerdings selbst wenn alle diese Maßnahmen griffen, bleibe im Jahr 2040 noch eine Lücke von etwa 338.000 fehlenden IT-Spezialisten. Zuletzt seien bereits jährlich etwa 13.000 ausländische Fachkräfte aus der EU und anderen Ländern in IT-Berufe zugewandert. Durch das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz sollten nach dem Willen der Bundesregierung pro Jahr 75.000 zusätzliche Fachkräfte aus Drittstaaten außerhalb der EU nach Deutschland kommen – auf IT-Berufe bezogen wären das 4.000 pro Jahr. Ein ähnlicher Anstieg müsse auch für EU-Staaten erreicht werden.

„Wir werden mit dem inländischen Potenzial und der bisherigen Zuwanderung die IT-Fachkräftelücke nicht schließen können. Deutschland muss als Arbeits- und Lebensmittelpunkt für IT-Fachleute viel attraktiver werden“, unterstreicht Dr. Wintergerst. Diese Menschen seien weltweit umworben. Um für diese attraktiv zu sein, müsse Deutschland eine offene, tolerante und freie Gesellschaft bleiben. Der Bitkom plädiere dafür, die Ausländerbehörden zu „Willkommensagenturen“ umzubauen, das internationale Marketing für den IT-Standort Deutschland zu verstärken und die Einwanderung deutlich zu entbürokratisieren sowie zu beschleunigen – etwa durch eine umfassende Digitalisierung der Verfahren. Nach den Bitkom-Berechnungen könnten so bis 2040 insgesamt etwa 321.000 zusätzliche Fachkräfte aus Drittstaaten und der EU nach Deutschland kommen.

Bitkom-Fazit: Fachkräftemangel kein Naturereignis

Werden alle Maßnahmen kurzfristig angegangen, so ließe sich die Fachkräftelücke in der IT bis 2040 laut Bitkom auf 35.800 reduzieren und damit praktisch schließen. „Digitalisierung braucht Technologie, sie braucht aber vor allem Menschen, die sie voranbringen“, kommentiert Dr. Wintergerst.

Abschließend gibt er zu bedenken: „Der Fachkräftemangel ist kein Naturereignis. Wir müssen auf niemanden warten oder auf etwas hoffen, wir müssen selbst aktiv werden. Seit Jahren diskutieren wir über den Fachkräftemangel in der IT und starten einzelne Projekte. Woran es fehlt, ist eine ambitionierte Gesamtstrategie. Sie muss jetzt kommen!“

Weitere Informationen zum Thema:

bitkom, 11.04.2024
IT-Fachkräfte 2040: Wo steht die deutsche Wirtschaft? / Dr. Ralf Wintergerst, Bitkom-Präsident



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