Aktuelles, Experten - geschrieben von am Samstag, Juni 26, 2021 15:39 - noch keine Kommentare

Cyber-Sicherheitsstrategie: Offener Brief warnt vor Verabschiedung

Reporter ohne Grenzen kritisiert abermals digitale Überwachung zulasten der IT-Sicherheit der Bürger

[datensicherheit.de, 26.06.2021] Nach Angaben des Vereins Reporter ohne Grenzen (RSF) wird derzeit gemeinsam „mit 69 weiteren Organisationen, Verbänden und Vertretenden aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft“ in einem Offenen Brief mit Stand vom 24. Juni 2021 vor der Verabschiedung der neuen Cyber-Sicherheitsstrategie des Bundesinnenministeriums gewarnt. Diese soll demnach Maßnahmen zur Förderung und Verteidigung der IT-Sicherheit über die nächsten fünf Jahre festlegen. „Aus Sicht der Mitzeichnenden fördert die vorliegende Strategie allerdings vor allem die Erweiterung staatlicher Überwachungsbefugnisse – zulasten der IT-Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und trotz der breiten Kritik seitens Wirtschaft und Zivilgesellschaft.“ RSF sieht „insbesondere die Vertrauenswürdigkeit digitaler Kommunikationsmittel, auf die sich Medienschaffende und ihre Quellen tagtäglich verlassen, massiv bedroht“.

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Abbildung: Screenshot

Offener Brief von RSF und 69 weiteren Miteichnern

Datensicherheit bedroht: Verschlüsselte Nachrichten sollen direkt per Hintertür mitgelesen werden können

„Die Große Koalition hat allein in den vergangenen zwei Wochen tiefgreifende neue Überwachungsmöglichkeiten für den Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst, den Militärischen Abschirmdienst und die Bundespolizei geschaffen – entgegen erheblichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze“, kritisiert RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. Dem Bundesinnenministerium gehe das offenbar noch immer nicht weit genug: „Staatstrojaner sollen noch häufiger eingesetzt werden dürfen, verschlüsselte Nachrichten direkt per Hintertür mitgelesen werden können.“
Die Grenzen des Erlaubten würden im Akkordtempo verschoben – im Namen eben jener IT-Sicherheit, die hiermit aktiv untergraben werde. „Die wiederholte, breite Kritik aus allen Teilen der Gesellschaft muss endlich gehört werden und zu einem Cyber-Sicherheitsverständnis führen, das nicht allein die Interessen der Sicherheitsbehörden widerspiegelt“, fordert Mihr.

Mitzeichner fordern, Verabschiedung der Cyber-Sicherheitsstrategie künftiger Bundesregierung zu überlassen

So fordern die Mitzeichnenden laut RSF, die Verabschiedung der Cyber-Sicherheitsstrategie in die Hände der künftigen Bundesregierung zu legen, zumindest aber die Ausweitung der Befugnisse für die Sicherheitsbehörden ersatzlos zu streichen. Entscheidende Teile der Strategie seien bereits seit Jahren hochumstritten und fänden keinen Rückhalt in Wirtschaft und Gesellschaft. Sorgen machten sich die Organisationen insbesondere über die vorgesehene „Entwicklung technischer und operativer Lösungen für den rechtmäßigen Zugang zu Inhalten aus verschlüsselter Kommunikation” – d,h, sogenannte Hintertüren, mithilfe derer Polizei und Nachrichtendienste leichter auf Nachrichten und Telefonate aus Diensten wie „WhatsApp“, „Signal“ oder „Threema“ zugreifen könnten.
Die Implikationen für die Sicherheit und Vertraulichkeit digitaler Kommunikation seien „besorgniserregend“, nicht zuletzt angesichts der Bedeutung verschlüsselter Messenger-Dienste als breit genutztes Mittel der sicheren Online-Kommunikation. „Für Medienschaffende sind Ende-zu-Ende-verschlüsselte Messenger-Dienste ein essenzielles Recherche- und Kommunikationsmittel.“

Kritik an Plänen, Sicherheitslücken gezielt für staatliche Zugriffe offenzuhalten

In einer Stellungnahme zum Entwurf der Cyber-Sicherheitsstrategie übt RSF des Weiteren Kritik an den Plänen, Sicherheitslücken gezielt für staatliche Zugriffe offenzuhalten und sogenannte Staatstrojaner über die kürzlich beschlossenen erweiterten Einsatzmöglichkeiten hinaus auch zur Strafverfolgung von weniger schweren Straftatbeständen einzusetzen. Ursprünglich nur zur Verfolgung schwerer Straftaten legalisiert, sollten sie nun beispielsweise auch zur Verfolgung von Cyber-Kriminalität eingesetzt werden dürfen:
Darunter fielen auch Ermittlungen zu Verstößen gegen den Datenhehlerei-Paragraphen, gegen den RSF und weitere Organisationen aufgrund seiner unpräzisen Formulierung und den daraus resultierenden Gefahren für die Arbeit investigativer Journalisten und ihr Umfeld 2016 Verfassungsbeschwerde eingereicht hätten.

Weitere Informationen zum Thema:

RSF REPORTER OHNE GRENZEN, 24.06.2021
Offener Brief an die Deutsche Bundesregierung / Cybersicherheitsstrategie für Deutschland 2021

RSF REPORTER OHNE GRENZEN, 16.06.2021
Stellungnahme zum Entwurf der Cybersicherheitsstrategie für Deutschland 2021

RSF REPORTER OHNE GRENZEN, 17.11.2020
EU-Vorstoß zu Messengerdiensten / Verschlüsselung nicht in Frage stellen

RSF REPORTER OHNE GRENZEN
Ich unterstütze die Verfassungsbeschwerde gegen Datenhehlerei

datensicherheit.de, 10.06.2021
Staatstrojaner: Reporter ohne Grenzen und Prof. Niko Härting streben Verfassungsbeschwerde an / Reporter ohne Grenzen warnt vor gravierendem Schaden für Pressefreiheit und digitalen Quellenschutz

datensicherheit.de, 05.07.2019
Anonymisierungsdienste: Reporter ohne Grenzen kritisieren Kriminalisierung / Zur effektiven Strafverfolgung personelle und technische Aufstockung der Polizei gefordert

datensicherheit.de, 02.03.2017
Reporter ohne Grenzen: Verfassungsbeschwerde gegen BND-Massenüberwachung / Journalistischer Quellenschutz und damit Grundpfeiler der Pressefreiheit in Gefahr



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