Aktuelles, Experten - geschrieben von dp am Donnerstag, Januar 21, 2021 21:25 - noch keine Kommentare
Erneuert Kritik an geplantem Kfz-Massenabgleich
Bürgerrechtler Breyer kritisiert Pläne der Bundesregierung zur bundesweiten Einführung fehleranfälliger Überwachungstechnik
[datensicherheit.de, 21.01.2021] Nach eigenen Angaben ist der Europaabgeordnete (Piratenpartei) und Bürgerrechtler Dr. Patrick Breyer seit Jahren gerichtlich gegen den massenhaften Abgleich von Kfz-Kennzeichen vorgegangen – aktuell kritisiert er die „Pläne der Bundesregierung zur bundesweiten Einführung der fehleranfälligen Überwachungstechnik“. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits wiederholt Landesgesetze zum Kfz-Massenabgleich für teils verfassungswidrig erklärt. Seine Partei veröffentliche „geheim gehaltene Standorte der Kennzeichenscanner und eine Bauanleitung für ein Gerät zum Aufspüren solcher Anlagen“.

Abbildung: Piratenpartei Deutschland
Kfz-Massenabgleich: Kritik und Warnung der Piratenpartei
Breyer warnt vor über 90 Prozent falschen Treffermeldungen
„Der massenhafte Abgleich von Kfz-Kennzeichen führt selten und allenfalls zufällig einmal zur Aufklärung von Straftaten. Auf der anderen Seite verschwendet er die wertvolle Arbeitskraft von Polizeibeschäftigten damit, die zu über 90 Prozent falschen Treffermeldungen der fehleranfälligen Technik auszusortieren“, kommentiert Dr. Breyer.
Die permanente massenhafte automatisierte Kontrolle der gesamten Bevölkerung drohe „wie ein Krebsgeschwür“ immer weitere Kreise zu ziehen – heute zur Fahndung und Beobachtung, morgen für Knöllchen gegen Temposünder und zur Diesel-Fahrverbotsüberwachung und übermorgen werde womöglich eine biometrische Gesichtserkennung an jeder Straßenecke eingeführt…
Vom Grundgesetz garantierte Handlungsfreiheit geht laut Breyer verloren
Die vom Grundgesetz garantierte Handlungsfreiheit gehe verloren, „wo permanent aufgenommen und abgeglichen wird“, weil dadurch der Anschein einer permanenten Aufzeichnung und Kontrolle des eigenen Verhaltens erweckt werde. Autofahrer wüssten eben nicht, ob ihr Kennzeichen im Fahndungsbestand verzeichnet sei und ob ihre Bewegungen gespeichert würden oder nicht – „was durchaus auch irrtümlich erfolgen kann“.
Der Europaabgeordnete warnt: „Wer jederzeit damit rechnen muss, dass sein gesamtes Fahrverhalten aufgezeichnet und nachvollzogen werden kann, der wird möglicherweise sein Bewegungsverhalten ändern. Unter ständiger Überwachung können wir uns nicht frei verhalten.“
Breyer zu den Aktivitäten in einigen Bundesländern
Bayern etwa scanne an 15 Standorten Kfz-Kennzeichen, um sie mit Polizeidatenbanken abzugleichen. Pro Monat würden so 8,5 Millionen Kennzeichen erfasst. 98 Prozent der Treffermeldungen seien falsch, weil der Scanner z.B. ein „I“ nicht von einer „1“ und ein „O“ nicht von einer „0“ unterscheide. In Baden-Württemberg seien 2017 138.000 Kfz-Kennzeichen erfasst worden: 92 Prozent der Treffermeldungen seien falsch gewesen. „In Hessen wurden 2017 250.000 Kfz-Kennzeichen eingelesen; dort waren 93 Prozent der Treffermeldungen falsch“, berichtet Dr. Breyer.
2008 habe das Bundesverfassungsgericht das hessische und ein schleswig-holsteinisches Gesetz zum Kfz-Massenabgleich für verfassungswidrig und daher nichtig erklärt. Der schleswig-holsteinische Innenminister Lothar Hay habe daraufhin bekanntgegeben, er verzichte auf eine Neuregelung, denn das Kfz-Scanning binde Personal, das an anderen Stellen sinnvoller für operative Polizeiarbeit zum Schutze der Bürger eingesetzt werden könne.
Noch nicht entschieden: Breyers Verfassungsbeschwerde gegen Kfz-Massenabgleich der Bundespolizei
Noch nicht entschieden habe das Bundesverfassungsgericht über eine 2018 vom Bürgerrechtler Dr. Breyer eingereichte Verfassungsbeschwerde gegen den Kfz-Massenabgleich durch die Bundespolizei (Az. 1 BvR 1046/18). Außerdem unterstützt er nach eigenen Angaben „eine Klage gegen die Kennzeichenerfassung zur Geschwindigkeitsmessung in Niedersachsen“ („Section Control“).
Das umstrittene Verfahren des Kfz-Kennzeichenabgleichs stehe seit Jahren in der Kritik: In vielen Ländern seien über 90 Prozent der Treffermeldungen falsch. Der Massenabgleich, mit dessen Hilfe auch verdeckte Bewegungsprofile für Polizei und Geheimdienste erstellt würden, entfalte insgesamt eine schädliche und abschreckende Wirkung auf unsere Gesellschaft, besonders etwa im Vorfeld von Demonstrationen. Dem stehe ein unverhältnismäßig geringer Nutzen gegenüber.
Nach Breyers Erkenntnissen geraten Millionen von Autofahrern in Verdacht
In Brandenburg klage ein Mitglied der Piratenpartei gegen die Praxis, aus Anlass wechselnder Fahndungsersuchen dauerhaft und verdachtslos die Kfz-Kennzeichen sämtlicher Autofahrer aufzuzeichnen und monatelang auf Vorrat zu speichern. Dieser Fall liegt beim Landesverfassungsgericht.
In Großbritannien, Dänemark und den Niederlanden würden mithilfe von Kennzeichenscannern schon heute sämtliche Fahrzeugbewegungen bis zu zwei Jahre lang auf Vorrat gespeichert. Polizei und Geheimdienste hätten europaweit über drei Millionen Kfz-Kennzeichen und in Deutschland fast eine Million Kfz-Kennzeichen notiert, „darunter Ausschreibungen zur Sicherstellung, zur Kontrolle, zur Befragung oder zur verdeckten (unbemerkten) Registrierung“.
Weitere Informationen zum Thema:
Patrick Breyer
SCHLAGWORT: KFZ-MASSENABGLEICH
PIRATENPARTEI Deutschland
KENNZEICHENSCANNER
datensicherheit.de, 27.06.2019
Brandenburgs Kfz-Massenspeicherung: Gericht sieht kein Rechtsschutzbedürfnis / Amtsgericht Frankfurt (Oder) lässt Klage nicht zu
datensicherheit.de, 11.02.2019
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