Aktuelles - geschrieben von am Dienstag, Juni 3, 2025 0:12 - noch keine Kommentare

Lost in Expectation: Bedenkliche Rolle der Dating-Apps

Mit dem Aufschwung sogenannter Dating-Apps in den Industriestaaten haben offenbar gleichzeitig die Single-Raten zugenommen

[datensicherheit.de, 03.06.2025] Dr. Guido F. Gebauer publiziert wöchentlich in seinem psychologischen Dating-Blog wissenschaftliche Befunde zur Online-Partnersuche. Er geht in seiner Stellungnahme vom Mai 2025 auf die Beobachtung ein, dass Millionen Singles online auf der Suche nach einem Partner sind, „doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache“: Immer mehr Menschen blieben Single – und dass „trotz unzähliger Matches, Likes und Swipes“. Mit dem Aufschwung sogenannter Dating-Apps in den Industriestaaten hätten gleichzeitig die Single-Raten zugenommen. Gebauer erörtert die Frage, wie es sein kann, dass wir so viele Kontaktmöglichkeiten wie niemals zuvor in der Menschheitsgeschichte haben, aber es uns immer schwerer fällt, Partnerschaften zu finden. Für den Psychologen ist dies indes kein Widerspruch: „Dating-Apps sind nicht darauf ausgerichtet, Beziehungen zu stiften – sie sind darauf programmiert, uns möglichst lange in der App zu halten!“

„Swipen“ keine Lösung, sondern ein Problem

Das „Swipen“ auf einschlägigen Dating-Apps sei nicht zufällig entwickelt worden, sondern folge psychologischen Prinzipien, die ursprünglich in Experimenten mit Tauben in der „Skinner-Box“ erprobt worden seien. „So gab Jonathan Badeen, Mitgründer von ,Tinder’, öffentlich zu, dass er das ,Swipen’ genau nach diesem Modell ableitete: Ein endloser Kreislauf aus kleinen Dopamin-Kicks, der süchtig macht, aber nicht zum Ziel führt…“

Gebauer macht aus seiner psychologischen Sicht vor allem vier Faktoren für Probleme vieler Nutzer mit den Dating-Apps verantwortlich:

  1. Problem mit Dating-Apps: Oberflächlichkeit statt echter Kompatibilität
    Entscheidungen fielen in Sekundenbruchteilen – basierend auf einem Foto, statt auf Lebenszielen oder Werten.
  2. Problem mit Dating-Apps: „Choice Overload“ und emotionale Erschöpfung
    Wer ständig neue Profile anschauen kann, verliere den Fokus, treffe die falschen Entscheidungen und werde langfristig unzufrieden.
  3. Problem mit Dating-Apps: Die Illusion kostenloser Liebe
    Viele Plattformen lockten mit Gratisangeboten, trieben Nutzer dann aber gezielt in teure Premium-Abos. Durch diese Gratisangebote würden zahlreiche unseriöse Profile angezogen, welche sodann mit den echten Profilen konkurrierten.
  4. Problem mit Dating-Apps: Nutzer als Spielball widersprüchlicher Motive
    Studien zeigten, „dass viele Nutzer von Dating-Apps längst in Beziehungen sind“. Oft würden Dating-Apps nämlich zur Selbstbestätigung oder zur Ablenkung von Langeweile genutzt. Dies sei dann aber nicht erkennbar, so dass die Partnersuche sprichwörtlich zur Suche nach der „Nadel im Heuhaufen“ werde.

Gamifizierung der Partnersuche

„Wir erleben eine Dating-Krise!“, betont Gebauer und erläutert: Dating ist zu einem Massenkonsumgut geworden. Apps trainieren uns darauf, durch Profile zu scrollen wie durch eine Shopping-Seite – aber Beziehungen lassen sich nicht im Schnellkaufverfahren erwerben.“

  • Die moderne Online-Dating-Welt fördere letztlich die „Gamifizierung der Partnersuche“, worunter die Einführung von Spielelementen in einen Nicht-Spiel-Kontext verstanden werde. „Das Prinzip erinnert an einen Spielautomaten – man zieht immer wieder am Hebel in der Hoffnung auf den nächsten Treffer“, so Gebauer.

Bei einem offiziellen Spiel wüssten allerdings alle, „dass sie Spieler sind“. Beim Online-Dating nähmen demgegenüber viele ihren Status als „Spieler“ nicht wahr und glaubten stattdessen, sich auf ein Beziehungsziel hin zu bewegen. Tatsächlich jedoch werde unbewusst durch die Struktur der Apps das langfristige Beziehungsziel durch ein kurzzeitiges Matching-Ziel ersetzt. Sobald ein Match erreicht sei, werde der Blick wieder auf das nächste Match als Belohnung ausgerichtet.

Intensive App-Nutzung fördert Dating-Burnout

Gebauer weiß zu berichten, dass viele Nutzer irgendwann aufgrund von Langeweile und Frustration bemerkten, in welcher Situation sie sich befinden:

  • „Vermehrt berichten Studien von einem ,Dating-Burnout’, bei dem die Nutzung der Dating-Apps zu emotionaler Erschöpfung und Resignation führt. Das ist auch der Grund, warum Dating-Apps zu den am meisten gelöschten Apps überhaupt gehören.“

Viele Nutzer, die ihre App löschen, halten dies aber laut Gebauer nicht lange durch, „da sie ähnlich wie Glücksspieler den Kick vermissen oder gar den Eindruck haben, ohne die App nicht leben zu können“. So entstehe für manche ein „ewiger Zyklus aus Löschung und Reinstallation“, der ähnlich dem Zyklus aus Entzug und Rückfall bei Suchtkranken sei.

Rückzug aus dem Öffentlichen Raum erschwert Offline-Partnersuche

Die von vielen erlebte Abhängigkeit von den Dating-Apps ergibt sich nach Gebauer auch daraus, dass der Aufschwung der Dating-Apps nicht nur die Partnersuche online zum Spiel gemacht habe, sondern gleichzeitig die Partnersuche offline erschwere.

  • Immer mehr Menschen assoziierten den Öffentlichen Raum nicht mehr mit der Partnerfindung, so dass die Bereitschaft für ein Kennenlernen sinke.

Die Chance für Zufallsbegegnungen nehme so ab, zumal überall im Öffentlichen Raum Menschen verstärkt mit ihren Smartphones beschäftigt seien – nicht selten eben mit den einschlägigen Dating-Apps.

Dating-Apps haben Verständnis geprägt, wie Partnersuche angeblich funktioniert

Gebauer gründete nach eigenen Angaben vor 19 Jahren – also noch vor dem Erscheinen der ersten Dating-App – die psychologische Partnervermittlung Gleichklang, welche sich seither den Trends der Apps konsequent verweigert habe.

  • Doch selbst dort spüre er die Folgen der App-Kultur: „Nutzer kommen heute mit Erwartungen, die durch Dating-Apps geprägt wurden – sofortige Vorschläge, kostenlose Tests, schnelle Matches. Wenn sie dann warten sollen, bis sie dem einen passenden Menschen begegnen, sind viele irritiert.“ Dating-Apps hätten nicht nur unser Verhalten, sondern unser gesamtes Verständnis davon verändert, wie Partnersuche funktioniert. „Wer sich dem entziehen will, muss bewusst einen anderen Weg gehen!“

Hoffnung schöpft Gebauer tatsächlich aus dem zunehmenden „Dating-Burnout“, welcher dazu führe, dass Nischen erhalten blieben oder sogar neue Nischen entstünden. Nicht als Trendsetter in der Branche, sieht sich Gebauer mit seinem Angebot, aber als „Zufluchtsort“ für diejenigen, welche erkannt haben, dass sie der „Mainstream des Online-Datings“ in die Irre führt.

Weitere Informationen zum Thema:

gleichklang.de
Blog

Dating-Psychologie (Guido Gebauer) auf YouTube, 29.03.2025
Dating-Apps versprechen Liebe – und erzeugen Einsamkeit

Spektrum.de
Lexikon der Biologie: Skinner-Box

datensicherheit.de, 18.04.2025
Beziehungsende: Jeder Achte verabschiedet sich mit Ghosting / Der Bitkom e.V. geht in seiner aktuellen Stellungnahme u.a. auf das mit Phänomen „Ghosting“ ein – dem plötzlichen vollständigen Kontaktabbruch auch in Sozialen Netzwerken

datensicherheit.de, 24.03.2025]
Online-Dating und Neugier: 61 Prozent der Nutzer recherchieren zu Profilen / Wer online datet, nutzt parallel oft noch weitere Möglichkeiten, um mehr über potenzielle Treffer zu erfahren

datensicherheit.de, 04.04.2024
Dating-Apps: Geolokalisierung gleichsam nützlich wie gefährlich / Der genaue Standort der App-Nutzer kann mit erschreckender Präzision ermittelt werden – es drohen Verletzung der Privatsphäre und ernsthafte Sicherheitsbedenken

datensicherheit.de, 08.02.2024
Informations-Abschöpfung durch Dating-Apps: Gefahr insbesondere rund um den Valentinstag / Downloads von Dating-Apps steigt am Valentinstag weltweit um 17 Prozent an

datensicherheit.de, 13.02.2022
Online-Dating: Beim digitalen Rendezvous auf Datensicherheit achten / Valentinstag am 14. Februar – Anthony Etien zu Bedrohungen und Lösungsansätzen für mehr Datensicherheit

datensicherheit.de, 27.09.2021
Dating-App: Sicherheitslücken für Nutzer ein Risiko / Pandemie hat Dating-Welt nachhaltig umgekrempelt

 



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