Aktuelles, Experten - geschrieben von dp am Dienstag, Mai 6, 2025 0:46 - noch keine Kommentare
Verhandlung am 19. Mai 2025: Digitalcourage-Klage gegen DB
Bahn-App „DB Navigator“ gibt viele persönliche Informationen weiter, ohne dass Nutzer sich dagegen wehren könnten
[datensicherheit.de, 06.05.2025] Der Digitalcourage e.V. engagiert sich seit 1987 für Grundrechte, Datenschutz und „eine lebenswerte Welt im Digitalen Zeitalter“. Bereits seit Längerem wird moniert, dass die Bahn-App „DB Navigator“ viele persönliche Informationen weitergibt, ohne dass Nutzer sich dagegen wehren könnten. „Digitalcourage hat deshalb im Oktober 2022 Klage gegen die Deutsche Bahn eingereicht. Nach über zwei Jahren juristischer Verzögerungstaktik des Konzerns steht nun endlich der Termin für die mündliche Verhandlung fest: Am 19. Mai 2025 ab 11.30 Uhr wird vom Landgericht Frankfurt am Main darüber entschieden, ob die Weitergabe von personenbezogenen Daten an Datenkraken beim Zugang zu Grundversorgungsangeboten rechtens ist.“
Mike Kuketz hatte 2022 den „DB Navigator“ analysiert
Die anstehende Verhandlung habe eine Vorgeschichte: Der IT-Sicherheitsforscher Mike Kuketz analysierte demnach 2022 den „DB Navigator“ und entdeckte erhebliche Datenschutzprobleme. „Er stellte Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie gegen das Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG) fest.“ Diese App sei voll mit Trackern – Technologien, welche das Verhalten der Nutzer überwachten und Daten sammelten, selbst ohne deren ausdrückliche Einwilligung.
„Denn die Bahn behauptet, diese Tracker seien technisch notwendig für den Betrieb. In der Abfrage heißt das verharmlosend: ,Nur erforderliche Cookies zulassen’ – diese können nicht abgewählt werden.“ Unter den Daten seien Informationen wie Anzahl der Reisenden, ob ein Kind mitfährt, Abfahrtstag, Start- und Zielbahnhof. Auch die Stiftung Warentest habe unabhängig das Datensendeverhalten der App überprüft und kam zu dem kritischen Ergebnis: „,DB Navigator’ übermittelt mehr Daten als nötig“. Insgesamt würden Daten an zehn Unternehmen und Dienstleister abfließen, darunter Google und Adobe.
Grundsatzentscheidung voraus: Die DB ist kein x-beliebiger App-Anbieter, sondern Teil staatlicher Grundversorgung
Was diesen Fall laut Digitalcourage so brisant macht: „Die Deutsche Bahn ist kein x-beliebiger App-Anbieter, sondern Teil der staatlichen Grundversorgung. Wer zur Arbeit pendelt, Angehörige besucht oder sich über Bahnverbindungen informiert, kommt an der App kaum noch vorbei.“ Diese biete Informationen zu Verspätungen, Anschlusszügen, aktueller Wagenreihung und ermöglicht den Ticketkauf an Bord. Manche Services seien gar ohne diese App nicht mehr verfügbar.
„Das macht sie für viele Menschen unverzichtbar – das bedeutet Digitalzwang!“ Dieser liege vor, „wenn es keine analoge oder datenschutzfreundliche Alternative zu einem Produkt oder Service gibt, obwohl sie realisierbar wäre“. padeluun, Mitgründer von Digitalcourage und der Kläger in dieser Sache, kommentiert: „Wer reisen will, wird zur App gezwungen – und wer die App nutzt, wird ausgespäht. Das ist Digitalzwang und Datenmißbrauch…“ Sie klagen laut padeluun, „weil Grundrechte nicht an der Bahnsteigkante enden“.
Nach Einreichung der Klage Übertragung des Navigator-Betriebs auf DB Fernverkehr AG…
Die Deutsche Bahn habe versucht, sich mit juristischen Tricks aus der Verantwortung zu stehlen. „Nach Einreichung der Klage übertrug die DB Vertriebs GmbH den Betrieb des ,DB-Navigators’ auf die DB Fernverkehr AG, was den Prozessbeginn durch einen Gerichtswechsel erheblich verzögerte und zugleich den Streitwert verdoppelte.“
Der auf IT- und Datenschutzrecht spezialisierte Rechtsanwalt Peter Hense vertritt padeluun juristisch – er kritisiert das Verhalten der Bahn: „Ich hätte mir einen kürzeren Prozess gewünscht. Immerhin hat die Rechtsprechung in den letzten Jahren aber unmissverständlich klargestellt, dass die Tracking-Spielchen auf Apps und Website ein Ende haben müssen. Ob Google oder Telekom, Focus oder kik, überall haben wir mittlerweile dem Recht auf Informationelle Selbstbestimmung zur Geltung verholfen.“
Datensendeverhalten des „DB-Navigator“ klarer Verstoß gegen TDDDG sowie DSGVO
Der Jurist ist überzeugt, dass das Datensendeverhalten des „DB-Navigator“ einen klaren Verstoß gegen das TTDSG (heute: Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetz / TDDDG) sowie die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) darstellt: „Die Bahn hat kein Recht auf heimliches Tracking, nur weil Reisende auf sie angewiesen sind. Sie ist und bleibt ein grundrechtsgebundenes Staatsunternehmen. Der in Teilen des Konzerns vorherrschende Glaube, über dem Gesetz zu stehen, ist vielleicht bequem, aber keineswegs zutreffend.“
Für Digitalcourage ist klar: „Bahnfahren gehört zur Grundversorgung in unserer Gesellschaft. Wer reisen will, darf nicht gewzungen werden, persönliche Daten preiszugeben und es muss auch ohne Smartphone und Digitalzwang möglich sein, am öffentlichen Leben teilzuhaben. Das Tracking im ,DB-Navigator’ ist zudem ein Verstoß gegen geltendes Recht.“
DB unmissverständlich klarmachen, dass Nutzung der Bahn ohne Daten-Weitergabe möglich sein muss
„Wir wollen dem Konzern unmissverständlich klarmachen, dass Menschen in Deutschland das Recht haben, Bahn zu fahren, ohne dass ihre Daten Datenkraken weitergegeben werden.“ Da der Konzern bisher uneinsichtig gewesen sei, werde nun das Gericht die Bahn von der Rechtslage überzeugen müssen.
Verhandlungstermin:
- Montag, 19. Mai 2025, 11.30 Uhr
Landgericht Fankfurt am Main
Gerichtsstraße 2
60313 Frankfurt am Main
Anwesend bei der Verhandlung sind (ohne Gewähr):
- padeluun, Künstler und Netzaktivist, Gründer von Digitalcourage e.V., Kläger
- Peter Hense, Rechtsanwalt für IT- und Datenschutzrecht
- Rena Tangens, Gründerin und politische Geschäftsführerin von Digitalcourage e.V.
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KUKETZ IT-SECURITY, Mike Kuketz, 11.04.2022
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datensicherheit.de, 20.07.2022
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