Aktuelles, Experten, Studien - geschrieben von dp am Donnerstag, Juli 24, 2025 0:21 - noch keine Kommentare
Abrechnungsbetrug und Korruption: KKH verzeichnet Rekordschaden für 2024
KKH-Chefermittler Emil Penkov sieht in KI-Nutzung zukunftsweisenden Schlüssel für die Ermittlungsarbeit
[datensicherheit.de, 24.07.2025] Die KKH Kaufmännische Krankenkasse hat nach eigenen Angaben als erste bundesweit tätige Krankenkasse vor 24 Jahren einen Arbeitsbereich eingerichtet, der sich ausschließlich mit der Bekämpfung von Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen befasst. Sie zählt demnach mit ihren rund 1,5 Millionen Versicherten, einem Haushaltsvolumen von rund 8,2 Milliarden Euro und rund 4.000 Mitarbeitern zu den größten bundesweiten Krankenkassen. Laut einer KKH-Meldung vom 23. Juli 2025 ist ihr mit 5,4 Millionen Euro im vergangenen Jahr – 2024 – der bislang größte registrierte Schaden durch Abrechnungsbetrug entstanden.

Abbildung: KKH
KKH-Erkenntnis: „Top 10 der Tatverdächtigen 2024“
KKH-Ermittlerteam meldet 479 neue Hinweise auf mögliches Fehlverhalten im Gesundheitswesen
„Der Löwenanteil entfällt auf ambulante Pflegedienste, die mit diversen Betrugsmaschen mehr als 4,1 Millionen Euro ergaunert haben.“ Insgesamt seien beim KKH-Ermittlerteam bundesweit 479 neue Hinweise auf mögliches Fehlverhalten im Gesundheitswesen eingegangen – „von gefälschten Rezepten für teure Medikamente über den Missbrauch von Gesundheitskarten und abgerechnete Behandlungen, die frei erfunden sind, bis hin zu erschlichenen Krankengeldzahlungen“.
Mehr als die Hälfte dieser Delikte gehe auf das Konto der ambulanten Pflege (270 Fälle). Damit führe dieser Gesundheitssektor wie in den Vorjahren die traurige „Rankingliste betrügerischer Leistungserbringer“ mit großem Abstand an. Es folgten Physiotherapiepraxen mit 62 Fällen sowie Arztpraxen mit 21 Fällen.
Illegal erschlichene Gelder fehlen der medizinischen und pflegerischen Versorgung
„Hinter diesen abstrakten Zahlen verbergen sich teils tragische Schicksale.“ Führe Geldgier dazu, dass beispielsweise schwerkranke Patienten gepanschte Medikamente erhielten oder Pflegebedürftige von Personen betreut würden, welche ohne entsprechende Qualifikation Ernährungssonden setzten, könne dies lebensbedrohliche Folgen haben – doch Betrüger scheine es kalt zu lassen. „Allein 2022 und 2023 erreichten die Schäden zulasten der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung durch Abrechnungsbetrug mit mehr als 200 Millionen Euro einen neuen Höchststand.“
Hinzu komme eine hohe Schadensdunkelziffer, welche laut einer internationalen Studie bei 6,19 Prozent der jährlichen Gesundheitsausgaben und damit einer Schadenssumme von rund 18,5 Milliarden Euro allein in Deutschland liege. „Diese illegal erschlichenen Gelder fehlen in der medizinischen und pflegerischen Versorgung der Versicherten und können sich daneben auch auf die Höhe der Kassenbeiträge auswirken“, kommentiert Emil Penkov, Chefermittler bei der KKH.
KKH konnte mehr als eine halbe Million Euro erfolgreich zurückfordern
Im Gesundheitswesen fließt viel Geld: „So beliefen sich 2024 die reinen Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung auf rund 312,3 Milliarden Euro. Das ist ganz offensichtlich ein Einfallstor für die Raffgier krimineller Leistungserbringer.“ So stehe etwa ein Arzt im Verdacht, im zurückliegenden Jahr nie durchgeführte Operationen abgerechnet zu haben. Ein ambulanter Pflegedienst solle Pflegekurse für eine unrealistisch hohe Teilnehmerzahl geltend gemacht haben. Beide Fallbeispiele zeigen laut Penkov: „Es sind immer nur einige wenige eines Berufsstandes, die durch Betrug und Korruption teils skrupellos Gelder abzweigen und dadurch ehrliche Leistungserbringer in Misskredit bringen.“
Auch wenn in nahezu allen Gesundheitsbereichen rechtswidrig handelnde Akteure am Werk seien – von A wie Apotheken bis Z wie Zahnarztpraxen: „Auf die ambulanten Pflegedienste als trauriger Spitzenreiter in puncto Schadenshöhe mit 4,1 Millionen Euro folgen mit deutlichem Abstand Apotheken mit rund 500.000 Euro sowie Krankenhäuser mit rund 365.000 Euro.“ Mehr als eine halbe Million Euro habe die KKH erfolgreich zurückfordern können.
Emil Penkov fordert vernetzte Ermittlungsarbeit
Zu den häufigsten Delikten im Gesundheitswesen zählten die Abrechnung nicht erbrachter Leistungen, sogenannte Luftleistungen, sowie das Abkassieren von Höchstsätzen für unqualifiziertes Personal. Mitunter trieben Betrüger ihre kriminellen Machenschaften in einem Bundesland und zögen dann weiter in das nächste. „Das erschwert es, Betrug, Korruption, Schmiergeldzahlungen oder Urkundenfälschungen aufzudecken.“
Penkov hält den länderübergreifenden Austausch der Stellen zur Fehlverhaltensbekämpfung der Krankenkassen untereinander und gemeinsam mit Kassenärztlichen Vereinigungen, speziellen Staatsanwaltschaften, Fachkommissariaten der Polizei und anderen Behörden für zentral: „Nur in eng vernetzter, professioneller Ermittlungsarbeit kann es gelingen, für Täterinnen und Täter vor Gericht rechtskräftige Verurteilungen zu erwirken – auch zwecks Abschreckung. Spezialisierte Strafverfolgungsbehörden sollte es daher in allen 16 Bundesländern geben.“
KI-Algorithmen könnten Betrugsstrukturen und Fälle aufbereiten
Ein zukunftsweisendes Instrument sieht Penkov in Künstlicher Intelligenz (KI): „Es reicht nicht, wenn die Fehlverhaltensstellen der Krankenkassen quasi zu Fuß einzelnen Hinweisen auf Abrechnungsbetrug nachgehen. Wir müssen das Dunkelfeld proaktiv erhellen. KI-Algorithmen können Betrugsstrukturen und Fälle aus dem großen Pool an Abrechnungsdaten aller Kassen herausfiltern und zentral für alle Ermittler bereitstellen.“
Sie begrüßten, dass der Gesetzgeber die Notwendigkeit dieser technischen, kassenübergreifenden Unterstützung erkannt habe. Ergänzende Vorschriften seien im „Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz“ zwar vorgesehen, jedoch seien bislang leider nur einige wenige neue Regelungen umgesetzt worden. Umso wichtiger sei es, dass zeitnah die betreffenden Vorschriften zur besseren Fehlverhaltensbekämpfung und Prävention mittels KI-Einsatzes nachgeholt würden.
KKH setzt auf glaubhafte Hinweisgeber
Krankenkassen seien bei der Fehlverhaltensbekämpfung auf Hinweise vom Medizinischen Dienst, von Polizei, Finanzämtern, Medien oder Versicherten angewiesen. „Jedem glaubhaften Hinweis gehen wir nach“, betont Penkov. „Dabei kann sich hinter einer unscheinbar wirkenden Handlung ein ausgetüfteltes Betrugssystem verbergen, das der Solidargemeinschaft immensen Schaden zufügt.“
Wer mögliches Fehlverhalten beobachtet hat, könne dies anonym oder namentlich online über das „BKMS-Hinweis-System“ oder per E-Mail an die KKH – „Fehlverhalten im Gesundheitswesen“ – melden.
KKH-Erkenntnisse zu Vorfällen 2024
- TOP 3 Leistungsbereiche nach Höhe der Schadenssumme 2024 (gerundet):
Ambulante Pflege (4,1 Mio. Euro)
Arzneimittel (499.000 Euro)
Krankenhausbereich (365.100 Euro) - TOP 3 Leistungsbereiche nach Zahl der neuen Fälle / Hinweise 2024:
Ambulante Pflege (270)
Krankengymnastik / Physiotherapie (62)
Ärztliche Leistungen (21) - TOP 3 Anfangsverdachte 2024:
Abrechnung nicht erbrachter Leistungen, sog. Luftleistungen und -rezepte (161)
Einsatz unqualifizierten Personals (139)
Abrechnung ohne Zulassung / Genehmigung (69)
Weitere Informationen zum Thema:
KKH
Unternehmensporträt: KKH Kaufmännische Krankenkasse
KKH
Fehlverhalten im Gesundheitswesen / Bekämpfung von Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen
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