Aktuelles, Experten - geschrieben von dp am Montag, April 8, 2019 21:38 - ein Kommentar
Anti-Terror-Schnellzensur: Unzählige Internetdienste gefährdet
Dr. Patrick Breyer kritisiert Beschluss des Innenausschuss des Europäischen Parlaments vom 8. April 2019
[datensicherheit.de, 08.04.2019] Laut einer Meldung der Piratenpartei Deutschland vom 8. April 2019 hat der Innenausschuss des Europäischen Parlaments an diesem Tag – bei nur einer Gegenstimme – dafür gestimmt, dass Internetdienste auf behördliche Anordnung binnen einer Stunde „terroristische Inhalte“ sperren sollen. Nächste Woche soll demnach das Europäische Parlament insgesamt abstimmen.
Quasi-Monopolisten im Vorteil
„Die leicht zu umgehenden Internetsperren nach Artikel 4 der Verordnung würden das Aus für unzählige Internetdienste bedeuten: Rund um die Uhr erreichbar zu sein, um Löschanordnungen innerhalb 60 Minuten Folge leisten zu können, können kleine Unternehmen und ehrenamtliche Betreiber nicht gewährleisten“, kritisiert der Jurist Dr. Patrick Breyer, Spitzenkandidat der Piratenpartei zur Europawahl 2019.
Profitieren würden die großen Quasi-Monopolisten wie facebook, die über die nötigen Ressourcen verfügten. „Mit der heutigen Entscheidung übergehen die Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen die diesbezügliche Kritik von UN-Sonderberichterstattern und EU-Grundrechteagentur“, so Dr. Breyer.
Meinungsfreiheit gefährdet
Gefahren sehe er auch für die Meinungsfreiheit: „Die nationalen Internet-Zensurbehörden sollen zwar nominell unabhängig sein, aber es gibt dafür keinerlei Garantien, gerade in autoritär regierten Staaten wie Ungarn oder Polen.“ Dieses Instrument drohe politisch missbraucht zu werden, warnt Breyer.
Es gebe „nicht einmal einen Richtervorbehalt für Sperranordnungen“. Internet-Zensur sei der falsche Weg, um gewaltbereitem Extremismus zu begegnen: „Wenn man sich über terroristische Gruppierungen nicht mehr im öffentlichen Netz informieren kann, werden Sympathisanten sich bei ihnen registrieren müssen und geraten so in noch größere Gefahr der Vereinnahmung und Radikalisierung.“
Vielzahl von Internetdiensten droht das Aus – keine effektive Bekämpfung terroristischer Inhalte
Viele Internetdienste müssten den Betrieb einstellen: Die EU-Zensurverordnung erfasse nahezu alle Internetdienste, beispielsweise Blogs mit Kommentarfunktion, Meinungsforen, Wikipedia, Filesharing-Dienste, Software-Entwicklungsportale oder Nachrichtenportale mit Kommentarfunktion – selbst wenn noch nie terroristische Inhalte dort veröffentlicht wurden. Durch die Verordnung drohe einer Vielzahl von Internetdiensten das Aus, weil deren Anbieter die geforderte Löschung von Inhalten binnen einer Stunde – auch zur Nachtzeit – nicht gewährleisten könnten und sich hohen Strafen ausgesetzt sähen.
Untaugliche Internetsperren durch Geoblocking: Es sei anzunehmen, dass Anbieter einfache Techniken zur Geolocation einsetzen würden, weil sie „terroristische Inhalte“ nicht löschen, sondern nur für Nutzer aus der EU sperren müssten. Eine solche Sperre lasse sich jedoch technisch leicht umgehen – die Verbreitung terroristischer Propaganda werde somit de facto nicht verhindert.
Weitere Informationen zum Thema:
datensicherheit.de, 05.04.2019
Künftig Pflicht: Fingerabdrücke für Personalausweise
datensicherheit.de, 15.03.2019
Diesel-Fahrverbote: Fotografieren aller Fahrzeuge
datensicherheit.de, 18.09.2018
Kritik an der geplanten Verordnung zur „Entfernung terroristischer Inhalte“
ein Kommentar
Bernd Waldmüller
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Man mag es kaum glauben, dass es tatsächlich nur eine Gegenstimme gab.