Aktuelles, Experten - geschrieben von dp am Donnerstag, März 25, 2021 21:31 - noch keine Kommentare
Kfz-Massenabgleich: Verfassungsbeschwerde in Brandenburg erfolgreich
Piratenpartei Deutschland meldet Zwischenerfolg in der Auseinandersetzung um Vorratsdatenspeicherung von Kfz-Kennzeichen
[datensicherheit.de, 25.03.2021] Die Piratenpartei Deutschland meldet, dass im Streit um die Praxis des Landes Brandenburg, mithilfe von Kennzeichenscannern im „Aufzeichnungsmodus“ alle Fahrzeugbewegungen auf den Autobahnen des Landes auf Vorrat zu speichern, der Autofahrer Marko Tittel, Mitglied der Piratenpartei Brandenburg, demnach einen Zwischenerfolg errungen hat. Das Landesverfassungsgericht habe die Abweisung von Tittels Klage durch das Landgericht Frankfurt (Oder) aufgehoben (Az. VerfGBbg 62/19) – laut Urteil habe Tittel „ein Abwehrrecht gegen den Einsatz der automatischen Kennzeichenerfassung und in der Folge erst recht auch gegen die Speicherung der mittels automatischer Kennzeichenerfassung gewonnenen Daten […], wenn sich der Einsatz nicht auf eine Ermächtigungsgrundlage der Strafprozessordnung stützen lässt“.

Abbildung: Piratenpartei Deutschland
Kfz-Massenabgleich: Zwischenerfolg der Piratenpartei in Brandenburg
Wahllose Kfz-Vorratsspeicherung schafft Gläsernen Autofahrer
Nun müsse das Landgericht entscheiden, „ob die Strafprozessordnung die Vorratsdatenspeicherung abdeckt“. Piratenpartei und Landesdatenschutzbeauftragte seien sich sicher, „dass dies nicht der Fall ist“. Der Bundestag berate derzeit erst über die Einführung einer Ermächtigung zum Kfz-Massenabgleich in der Strafprozessordnung. Die Länder forderten über einen Abgleich hinaus sogar die Vorratsspeicherung sämtlicher Fahrzeugbewegungen.
Kläger Tittel habe die Verfassungsgerichtsentscheidung begrüßt: „Das Landgericht Frankfurt (Oder) muss diesen Fall nun erneut behandeln. Das freut mich sehr, zeigt es doch, dass meine Beschwerde, die zuvor vom Landgericht generell abgewiesen wurde, doch ihre Berechtigung hat.“ Eine wahllose Vorratsspeicherung jeder Fahrt auf der Autobahn schaffe den Gläsernen Autofahrer und setze ihn einem ständigen Überwachungsdruck aus, aber auch dem Risiko eines falschen Verdachts oder missbräuchlicher Nachverfolgung seiner persönlichen Lebensführung durch Unbefugte. Tittel betont: „Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem jede Bewegung erfasst und gegen mich verwendet werden kann.“
Dr. Patrick Breyer geht seit Jahren gerichtlich gegen massenhaften Abgleich von Kfz-Kennzeichen vor
Dr. Patrick Breyer, Europaabgeordneter und Bürgerrechtler, seit Jahren gerichtlich gegen den massenhaften Abgleich von Kfz-Kennzeichen vorgehend, kritisiert die Pläne der Bundesregierung zur bundesweiten Einführung der fehleranfälligen Überwachungstechnik:
„Der massenhafte Abgleich von Kfz-Kennzeichen führt selten und allenfalls zufällig einmal zur Aufklärung von Straftaten. Auf der anderen Seite verschwendet er die wertvolle Arbeitskraft von Polizeibeschäftigten damit, die zu über 90 Prozent falschen Treffermeldungen der fehleranfälligen Technik auszusortieren.“
Bundesverfassungsgericht hat wiederholt Kfz-Massenabgleich für teils verfassungswidrig erklärt
Die permanente, massenhafte, und automatisierte Kontrolle der gesamten Bevölkerung droht laut Dr. Breyer „wie ein Krebsgeschwür“ immer weitere Kreise zu ziehen: „Heute zur Fahndung und Beobachtung, morgen für Knöllchen gegen Temposünder und zur Diesel-Fahrverbotsüberwachung – und übermorgen wird eine biometrische Gesichtserkennung an jeder Straßenecke eingeführt. Unter ständiger Überwachung können wir uns nicht frei verhalten.“
Brandenburgs Polizei betreibe elf stationäre Kennzeichenscanner an neun Standorten im Land. Die meisten davon veröffentlicht die Piratenpartei nach eigenen Angaben im Internet auf einer Karte und ruft zur „Mithilfe bei der Suche nach den weiteren Standorten“ auf. Brandenburgs Polizei und Staatsanwaltschaften speicherten mithilfe von Kennzeichenscannern auf Vorrat, wann welcher Autofahrer wo auf der Autobahn unterwegs war – dauerhaft und auf unbestimmte Zeit. Das Bundesverfassungsgericht habe indes wiederholt Landesgesetze zum Kfz-Massenabgleich für teils verfassungswidrig erklärt.
Verfassungsbeschwerde gegen Kfz-Massenabgleich durch Bundespolizei noch anhängig
Bayern etwa scanne an 15 Standorten Kfz-Kennzeichen, um sie mit Polizeidatenbanken abzugleichen. Pro Monat würden so 8,5 Millionen Kennzeichen erfasst. 98 Prozent der Treffermeldungen seien falsch, weil der Scanner z.B. ein „I“ nicht von einer „1“ und ein „O“ nicht von einer „0“ unterscheide. In Baden-Württemberg seien 2017 138.000 Kfz-Kennzeichen erfasst worden – „92 Prozent der Treffermeldungen waren falsch“. In Hessen seien 2017 250.000 Kfz-Kennzeichen eingelesen worden – „dort waren 93 Prozent der Treffermeldungen falsch“.
Noch nicht entschieden habe das Bundesverfassungsgericht über eine 2018 vom Bürgerrechtler Dr. Breyer eingereichte Verfassungsbeschwerde gegen den Kfz-Massenabgleich durch die Bundespolizei (Az. 1 BvR 1046/18).
Weitere Informationen zum Thema:
dejure.org
Rechtsprechung VerfG Brandenburg, 19.03.2021 – VfGBbg 62/19
Piratenpartei Brandenburg, Marko Tittel
VERFASSUNGSGERICHT DES LANDES BRANDENBURG / Beschluss VfGBbg 62/19
datensicherheit.de, 22.01.2021
Auch Digitalcourage warnt vor Kfz-Kennzeichenerfassung / Digitalcourage sieht Regierungspläne vor Gericht scheitern
datensicherheit.de, 21.01.2021
Erneuert Kritik an geplantem Kfz-Massenabgleich / Bürgerrechtler Breyer kritisiert Pläne der Bundesregierung zur bundesweiten Einführung fehleranfälliger Überwachungstechnik
datensicherheit.de, 27.06.2019
Brandenburgs Kfz-Massenspeicherung: Gericht sieht kein Rechtsschutzbedürfnis / Amtsgericht Frankfurt (Oder) lässt Klage nicht zu
datensicherheit.de, 13.06.2019
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