Aktuelles, Experten - geschrieben von dp am Sonntag, November 3, 2019 19:24 - noch keine Kommentare
Patientendaten: Bundesregierung plant Weiterleitung
Anja Hirschel warnt vor „gläsernem Patienten“ und Ausverkauf an zentrales Forschungszentrum
[datensicherheit.de, 03.11.2019] Laut einer Stellungnahme der Piratenpartei Deutschland soll bereits am 7. November 2019 das „Digitale-Versorgungs-Gesetz“ im Bundestag beschlossen werden. Es verspricht demnach, die Digitalisierung in der Medizin einen großen Schritt voranzubringen – so sollen u.a. Verwaltungsprozesse vereinfacht und die Telemedizin gestärkt werden. Als „besonders brisant“ bezeichnet indes die Piratenpartei, dass dieses Gesetz zusätzlich vorsehe, „die persönlichen Daten aller gesetzlich Versicherten an den Spitzenverband der Krankenkassen weiterzuleiten“.
Pseudo-Pseudonymisierung der Patientendaten befürchtet
Unter § 303b „Datenzusammenführung und -übermittlung“ im Antrag zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch werde konkret gefordert,
- Angaben zu Alter, Geschlecht und Wohnort,
- Angaben zum Versicherungsverhältnis,
- die Kosten- und Leistungsdaten nach den §§ 295, 295a, 300, 301, 301a und 302,
- Angaben zum Vitalstatus und zum Sterbedatum und
- Angaben zu den abrechnenden Leistungserbringern
an den Spitzenverband Bund der Krankenkassen als Datensammelstelle weiterzuleiten.
Dieser wiederum übermittele die Daten (ohne das Versichertenkennzeichen) an ein Forschungsdatenzentrum. Die einzelnen Datensätze sollten mit einer Arbeitsnummer gekennzeichnet werden, was als Pseudonymisierung angesehen werden könnte. „Allerdings soll eine Liste beigefügt werden, welche diese Arbeitsnummern wiederum den eindeutigen Versichertenkennzeichen zuordnet“, warnt die Piratenpartei.
Ausverkauf der Patientendaten in diesem Ausmaß nicht widerspruchslos hinzunehmen
Das Forschungsdatenzentrum selbst (geregelt in § 303d) werde zudem ermächtigt, Anträge auf Datennutzung zu prüfen, die Daten zugänglich zu machen und „das spezifische Reidentifikationsrisiko in Bezug auf die durch Nutzungsberechtigte nach § 303e beantragten Daten zu bewerten und unter angemessener Wahrung des angestrebten wissenschaftlichen Nutzens durch geeignete Maßnahmen zu minimieren“.
Anja Hirschel, Stadträtin in Ulm und Bundesthemenbeauftragte für Digitalisierung der Piratenpartei, kommentiert: „Es ist zu befürchten, dass die höchst persönlichen und sensiblen Gesundheitsdaten, welche nun zentral gesammelt werden sollen, komplett schutzlos sind: vor gezielten Angriffen, vor Datenpannen, vor kommerziellen Interessen. Es ist leicht, eine Datensammelwut mit Digitalisierung zu begründen, es ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir den Ausverkauf unserer Daten in diesem Ausmaß nicht widerspruchslos hinnehmen dürfen.“
Widerspruchsrecht bei Weiterleitung der Patientendaten offenbar nicht vorgesehen
Auf technische Details wie Verschlüsselung usw. werde nicht eingegangen. Deren Klärung obliege dem Spitzenverband selbst. „Das Nähere zur technischen Ausgestaltung der Datenübermittlung nach Satz 1 vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den nach § 303a Absatz 1 Satz 2 bestimmten Stellen spätestens bis zum 31. Dezember 2021.“ Ein Widerspruchsrecht werde ebenso nicht erwähnt – dies wäre aber dringend erforderlich.
Beim Vergleich dieses Gesetzesentwurfs mit dem Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG), beschlossen 2013, fällt laut Piratenpartei auf: „Das Krebsregister hält die Daten in von Internet getrennten Netzen und nutzt sie ausschließlich dazu, die medizinische Versorgung voran zu bringen um u.a. Therapien zu verbessern. Es dient der Optimierung der individuellen Betreuung der Patienten. In manchen Landesgesetzen ist zudem ein Widerspruchsrecht und/oder ein Widerspruch gegen die Kontaktaufnahme möglich.“
Weitere Informationen zum Thema:
bundesgesundheitsministerium.de
Gesetzentwurf der Bundesregierung / Entwurf eines Gesetzes für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (Digitale-Versorgung-Gesetz – DVG)
datensicherheit.de, 26.09.2019
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