Aktuelles, Experten - geschrieben von dp am Dienstag, Dezember 23, 2025 0:46 - noch keine Kommentare
eco-Kritik an Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung des BMJV
Neuer Anlauf aus eco-Sicht „unverhältnismäßig, europarechtswidrig und aus der Zeit gefallen“
[datensicherheit.de, 23.12.2025] Auch der eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. kritisiert die geplante Neuauflage der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung durch Bundesjustizministerin Stefanie Hubig und fordert die dringende Nachbesserung des vorgelegten Gesetzentwurfs. Eine anlasslose und flächendeckende Vorratsdatenspeicherung sei mit der Rechtsprechung des Europäischer Gerichtshof (EuGH) nicht vereinbar.

Foto: eco
Klaus Landefeld unterstreicht: Eine dreimonatige, anlasslose und flächendeckende Vorratsdatenspeicherung ist mit der Rechtsprechung des EuGH nicht vereinbar!
eco moniert unklares Grundrechtsverständnis
Zur geplanten Neuauflage der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung durch das Bundesjustizministerium führt Klaus Landefeld, eco-Vorstand aus: „Die Pläne von Bundesjustizministerin Hubig sind äußerst problematisch. Eine dreimonatige, anlasslose und flächendeckende Vorratsdatenspeicherung ist mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht vereinbar!“
- Vor diesem Hintergrund sei auch das Grundrechtsverständnis der Justizministerin mindestens kritisch zu hinterfragen.
„Denn offensichtlich ist: Von den vom EuGH geforderten Einschränkungen, welche eine Vorratsdatenspeicherung im Einzelfall mit einer räumlich oder auf Personengruppen beschränkten Anordnung und unter Vorliegen eines konkreten Anlasses vorübergehend ermöglichen könnte, findet sich im diesem Gesetzentwurf keine Spur“, so Landefeld.
eco erinnert an Erkenntnisse des BKA zur Speicherdauer
Zur Verhältnismäßigkeit und zur rechtspolitischen Einordnung des Gesetzentwurfs stellt Landefeld klar: „Die Pläne der Justizministerin sind nicht nur unverhältnismäßig, sie sind aus der Zeit gefallen!“
- Neben diversen weiteren Studien habe selbst das Bundeskriminalamt (BKA) jüngst bestätigt, dass die Verfügbarkeit von IP-Adressen über drei bis vier Wochen hinaus keinen nennenswerten ermittlerischen Mehrwert mehr biete.
„Insofern fehlt abseits der freien Festlegung im Koalitionsvertrag jede Erläuterung, wozu eine derart lange Speicherfrist nötig sein soll. Gleichzeitig zeigt das europäische ,e-Evidence’-System, dass die Zukunft klar in Richtung einer anlassbezogenen elektronischen Beweissicherung und -herausgabe innerhalb weniger Tage weist. Die Zeichen der Zeit deuten insofern eindeutig in eine andere Richtung.“
eco für offene und profunde Diskussion über die Vorschläge
Kritisch beurteilt Landefeld ferner den Zeitpunkt und das politische Vorgehen des Bundesjustizministeriums: „Auf europäischer Ebene gibt es derzeit neue Initiativen für klare Regeln zur Ausgestaltung einer Vorratsdatenspeicherung im Einklang mit den Vorgaben des EuGH.“
- Hierzu sei bereits mit den weit abweichenden, bestehenden Regelungen der diversen Länder zu Umfang und Speicherfrist absehbar, das eine Einigung nur äußerst schwer zu erreichen sein werde.
„Dass das Bundesministerium der Justiz ausgerechnet in diese laufende Debatte mit einem offensichtlich grundrechtswidrigen Vorschlag eingreift, ist schwer nachvollziehbar!“ Auch der Veröffentlichungszeitpunkt kurz vor Weihnachten erwecke den Eindruck, dass keine offene und profunde Diskussion über die Vorschläge gewünscht sei.
eco warnt vor Wiederholung früherer Fehler bei Ausgestaltung der Speicherpflichten
Landefeld warnt zudem vor einer Wiederholung früherer Fehler bei der Ausgestaltung der Speicherpflichten: „Vergangene Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung wurden zu Recht dafür kritisiert, dass sie einseitig Speicherpflichten auf Anbieter von Telekommunikations- und Internetzugangsdiensten abgewälzt haben.“
- Eine sachgerechte Differenzierung zwischen Bürgern und Berufsgeheimnisträgern wie Anwälten, Ärzten, Seelsorgern oder Steuerberatern habe nicht stattgefunden.
Diese Problematik drohe sich nun auch im aktuellen Gesetzentwurf zu wiederholen: „Es besteht die ernsthafte Sorge, dass das BMJV erneut den besonderen Schutz von Berufsgeheimnisträgern faktisch der Internetwirtschaft aufbürdet.“
eco befürchtet auch Millionen-Euro-Aufwand zu Lasten der Anbieter
Eine technische Unterscheidung zwischen „normalen Bürgern“ und „Berufsgeheimnisträgern“ sei zunächst nicht möglich. Um dies zu kompensieren, wären zusätzliche Maßnahmen erforderlich, welche ihrerseits datenschutzrechtlich hoch problematisch sein würden.
- Für die Anbieter wiederhole sich zudem das Trauma der Kostentragung für eine voraussichtlich erneut grundrechtswidrige Umsetzung:
Einmal mehr würden in dem Entwurf maximal aufwändige, Hunderte von Millionen schwere Anforderungen an Speicherung, Verarbeitung und Löschung gestellt, welche alleine die Anbieter zu tragen hätten und bei einer Aussetzung des Gesetzes nicht ersetzt bekämen.
eco sieht erneute „Schnellschüsse und überzogene Speicherfristen“ als besonders kritisch und bedauerlich an
Der eco weist darauf hin, dass die gesetzliche Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland aufgrund europarechtlicher Bedenken ausgesetzt wurde. „Mit Urteil vom 22. September 2022 stellte der Europäischer Gerichtshof klar, dass die deutschen Regelungen zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung nicht mit dem Unionsrecht vereinbar sind.“
- Auf dieser Grundlage habe das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im September 2023 die Speicherpflicht für Telekommunikationsanbieter endgültig für „unionsrechtswidrig“ erklärt.
Der eco hat die Klage der SpaceNet AG, einem Mitgliedsunternehmen des Verbandes, von Beginn an unterstützt und damit maßgeblich zur Klärung der Europarechtswidrigkeit beigetragen. Vor diesem Hintergrund bewertet der eco erneute „Schnellschüsse und überzogene Speicherfristen“ als besonders kritisch und bedauerlich.
Weitere Informationen zum Thema:
eco VERBAND DER INTERNETWIRTSCHAFT
Über uns: eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. / Wir gestalten das Internet.
eco VERBAND DER INTERNETWIRTSCHAFT
Vorstand@eco: Klaus Landefeld – Stellv. Vorstandsvorsitzender, Vorstand Infrastruktur und Netze
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