Aktuelles, Experten - geschrieben von dp am Sonntag, September 8, 2013 21:55 - noch keine Kommentare
Freiheit statt Angst 2013: Veranstalter zeigen sich sehr zufrieden
Heftige Proteste gegen Schnüffelpraktiken der Geheimdienste, Verletzung der Privatsphäre und Untätigkeit der Bundesregierung
[datensicherheit.de, 08.09.2013] „Nur eine Diktatur braucht Zensur“, „Anonymität ist kein Verbrechen“ oder „Pressefreiheit braucht Informationsschutz“ – in phantasievollen Kostümen, mit kreativen Transparenten und markigen Sprüchen protestieren am 7. September 2013 mehr Menschen als jemals zuvor in Berlin friedlich unter dem Motto „Freiheit statt Angst“. Diese Demonstration sei ein Riesenerfolg, sagt padeluun – Bürgerinnen und Bürger gingen für die Verteidigung von Grundrechten und Demokratie auf die Straße. 2013 standen Proteste gegen die Schnüffelpraktiken der NSA, gegen die andauernde Verletzung der Privatsphäre und gegen die beharrliche Untätigkeit der Regierung Merkel im Vordergrund. Sie nähmen es nicht hin, so dreist belogen zu werden, dass die Geheimdienste alle bespitzeln und dass das Internet nur noch zum Überwachen und Geldverdienen da ist,
betont die Netzaktivistin und Bloggerin Anne Roth. Auch in Deutschland werde überwacht – und alle Bürgerinnen und Bürger seien betroffen, verdeutlicht Rena Tangens von der Bürgerrechtsorganisation Digitalcourage. Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung, Bestandsdatenauskunft und der unverhältnismäßige Einsatz von Funkzellenabfragen seien nur einige Beispiele von demokratiefeindlichen Überwachungsmaßnahmen, die abgeschafft werden müssten, so Tangens. Wir bräuchten dazu eine Behörde, die die Überwachung durch Geheimdienste vollständig aufklärt – man könnte diese auch „Gauck-Behörde 2.0“ nennen, ergänzt Oliver Moldenhauer von der Organisation SumOfUs.org; sie würden sich freuen, wenn der Bundespräsident als jemand, der Überwachung durch die Stasi aus eigener Erfahrung kenne, nicht nur durch sein Schweigen auffallen würde. Darüber hinaus fordert Moldenhauer, dass Abkommen, die eine umfassende Erfassung, Speicherung und Weitergabe persönlicher Daten von Bürgern erlauben, sofort gestoppt werden. Dazu gehörten die Abkommen zur Weitergabe von Bankdaten, zu Fluggastdaten und zur Datenverabeitung in den USA („Safe Harbour“). Weiterhin müssten dringend Technologien zur Verschlüsselung als freie Software gefördert werden. „Wir brauchen Verschlüsselungssoftware, die auch wirklich jeder versteht und anwenden kann“, unterstreicht der US-amerikanische Bürgerrechtsaktivist Jacob Appelbaum. Eine starke Verschlüsselung sei der Anfang des „Widerstands gegen die neue Tyrannei der heutigen Zeit“, so Appelbaum. Die Freiheit müsse derzeit nicht am Hindukusch verdeitigt werden, die Freiheit müssten wir alle gemeinsam hier verteidigen, gegen die „Schlapphüte von Pullach und Berlin“, sagt Christoph Bautz von Campact.
„Freiheit statt Angst 2013“: Menschen gehen auf die Straße und kämpften für den Schutz ihrer Bürgerrechte
Die Menschen gingen auf die Straße und kämpften für den Schutz ihrer Bürgerrechte; die Politik könne dieses Signal nicht länger ignorieren, so das Fazit von Kai-Uwe Steffens vom Demonstrationsbündnis – man werde keine Ruhe mehr geben und auch nach der Bundestagswahl 2013 für Freiheit, Bürgerrechte und Demokratie streiten. Parker Higgins, Aktivist der Electronic Frontier Foundation (USA), warnt eindringlich vor den Folgen lückenloser Überwachung für die menschliche Würde – man müsse sich das System wieder zurückerobern; dafür brauche man informierte Bürger und Regierungen, die sich an die Menschenrechte halten. Er schäme sich für das, was sein Land in seinem Namen tue, aber hier fühle er sich von seinen „wirklichen Landsleuten“ umgeben – dies seien Menschen, die an die Freiheit glaubten und gegen die Angst aufstünden. Michael Rediske von Reporter ohne Grenzen betont die Gefährdung der Pressefreiheit, die mit der Überwachung und dem Ausspähen von Journalisten in aller Welt über das Internet tägliche Realität sei – man könne für Blog-Einträge oder twitter-Posts verhaftet werden, E-Mails würden überwacht, Kontakte ausgeforscht und Computer mit Überwachungssoftware infiziert… Durch den NSA-Skandal sei nun klar belegt, dass auch deutsche Journalisten regelmäßig ausgeforscht würden. Diese Überwachung in Deutschland gefährde nicht nur die eigenen Freiheiten, sondern mache die Bundesrepublik auch unglaubwürdig als Verbündeter von Bewegungen in anderen Ländern. „Wir dürfen den Diktatoren nicht den Gefallen tun, ihnen ähnlich zu werden,“ so Rediskes Warnung. Wir könnten Snowden aufnehmen, wir müssten es nur wollen, sagt Christian Humborg von Transparency International und zitiert aus Snowdens Reaktion auf den Erhalt des „Whistleblower-Preises“: „Regierungen müssen für ihre Entscheidungen Rechenschaft ablegen. Die Entscheidung, welche Rechte und Freiheiten die Menschen haben, muss öffentlich gefällt werden und nicht von den Regierungen im Geheimen. Die Wahrheit über die Mächtigen auszusprechen, hat viele Whistleblower ihre Freiheit, ihre Familie oder ihr Land gekostet.“
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