Aktuelles, Experten, Studien - geschrieben von dp am Donnerstag, Februar 7, 2019 21:29 - noch keine Kommentare
Vorratsdatenspeicherung: Bayern und Bundesregierung im Dissens
Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung gibt Zwischenbericht
[datensicherheit.de, 07.02.2019] Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung meldet, dass die Bundesregierung das ausgesetzte Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung für unbedenklich hält – doch der bayerische Innenminister Dr. Herrmann widerspreche. Dies ergebe sich demnach aus Stellungnahmen an das Bundesverfassungsgericht, die der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung nun erstmals veröffentlicht.
Datenspeicherung grundsätzlich anlasslos, generell und damit flächendeckend…
Die Bundesregierung stellt sich in ihrer Stellungnahme auf den Standpunkt, ihr Gesetz aus dem Jahr 2015 sehe keine „allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung“ vor, welche vom Europäischen Gerichtshof verboten wurde. Von einer „persönlich oder geografisch eng eingegrenzten Speicherpflicht“ würde umgekehrt sogar „eine erhebliche Stigmatisierungswirkung für die Betroffenen ausgehen“.
Dagegen schreibt der bayerische Innenminister dem Bundesverfassungsgericht, einzelne Abstriche bei der Vorratsdatenspeicherung könnten „nichts daran … ändern, dass die Datenspeicherung grundsätzlich anlasslos, generell und damit flächendeckend zu erfolgen hat und somit den Regelfall und nicht die Ausnahme darstellt“. Es würden „auch Personen umfasst, bei denen in den Worten des Europäischen Gerichtshofs ‚keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, dass ihr Verhalten in einem auch nur mittelbaren oder entfernten Zusammenhang mit schweren Straftaten stehen könnte‘“.
Weitere Entscheidung aus Luxemburg gefordert
Fraglich erscheine auch, „ob eine Verkehrsdatenerhebung in Gestalt der Funkzellenabfrage … insoweit mit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs vereinbar ist, nachdem dort zwangsläufig auch die Daten unbeteiligter Dritter abgefragt werden“. IP-Adressen könnten zudem entgegen den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs „auch bezüglich solcher Personen gespeichert und abgerufen werden …, die nicht einer ‚schweren Straftat‘ verdächtig sind“.
Gleichwohl fordert neben der Bundesregierung auch Bayern eine weitere Entscheidung aus Luxemburg, weil „die Maßstäbe der [letzten] Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs … durchaus zu hinterfragen“ seien. Das bayerische Landeskriminalamt verwende Kommunikationsdaten nicht für „Data Mining“, „Predictive Analytics“ oder „automatisierte Mustererkennung“.
Heute wird „jeder Klick und jede Eingabe im Netz protokolliert“
Prof. Dr. Jan Dirk Roggenkamp und Prof. Dr. Frank Josef Braun, die eine von Digitalcourage und dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung initiierte Verfassungsbeschwerde vertreten, ermuntern das Bundesverfassungsgericht in ihrer Erwiderung dagegen zu einer „Fortentwicklung“ seines Urteils aus dem Jahr 2010. Damals hatte das Gericht eine Vorratsdatenspeicherung noch als „mit Art. 10 GG nicht schlechthin unvereinbar“ angesehen.
Mehr als acht Jahre nach dieser Entscheidung habe sich die Situation dramatisch verändert. Heute werde „jeder Klick und jede Eingabe im Netz protokolliert“. Das Parlament „strebt schrittweise eine immer weiter reichende Erfassung und Registrierung der Freiheitswahrnehmung seiner Bürger ohne jeden Anlass an“. Es gelte, „ein Übergreifen des Prinzips einer permanenten, flächendeckenden Datensammlung ins Blaue hinein auf immer weitere Lebensbereiche“ zu verhindern. Das Bundesverfassungsgericht dürfe sich vom europäischen Niveau des Grundrechtsschutzes nicht „abhängen“ lassen.
Weitere Informationen zum Thema:
REDEKER | SELLNER | DAHS Rechtsanwälte, 15.05.2018
– Stellungnahme der Bundesregierung –
Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei, Dr. Florian Herrmann, MdL, 03.04.2018
– Stellungnahme des bayerischen Innenministers –
Prof. Dr. Jan Dirk Roggenkamp | Prof. Dr. Frank Josef Braun, 03.12.2018
– Erwiderung der Beschwerdeführer –
datensicherheit.de, 14.01.2019
Verfassungswidrig: Datenschutzbeauftragte kritisieren Vorratsdatenspeicherung
datensicherheit.de, 01.09.2018
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