Aktuelles, Experten - geschrieben von dp am Mittwoch, September 12, 2018 20:31 - noch keine Kommentare
Internet-Regulierung: Verbände kritisieren EU-Gesetzgebung
Kampf gegen terroristische Inhalte im Web und Novelle zum Urheberrecht wenig praxistauglich
[datensicherheit.de, 12.09.2018] Der eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. (eco) meldet Bedenken hinsichtlich der Pläne der EU-Kommission zur Bekämpfung sogenannter terroristischer Inhalte an und kritisiert die Novelle zum Urheberrecht vom 12. September 2018. Auch der Digitalverband Bitkom e.V. kritisiert die Neufassung des Urheberrechts heftig.
Regulatorischer Vorstoß der EU-Kommission „nicht nachvollziehbar“
Laut eco möchte die EU-Kommission im Kampf gegen „terroristische Inhalte im Netz“ jetzt regulatorische Maßnahmen ergreifen und hat hierzu am 12. September 2018 einen entsprechenden Gesetzesvorschlag präsentiert.
Für den eco-Vorstandsvorsitzenden, Oliver Süme, ist dieser Versuch der EU-Kommission zur Regulierung insbesondere deshalb „nicht nachvollziehbar“, weil die Plattformen-Anbieter in kurzer Zeit deutliche Fortschritte bei der Bekämpfung illegaler Inhalte erzielt hätten. Dies zeige beispielsweise der aktuelle EU-Transparenzbericht ganz deutlich.
„Die Unternehmen haben sich zahlreiche Selbstverpflichtungen auferlegt und arbeiten so intensiv wie nie zuvor mit Politik und Strafverfolgung zusammen. Denn es ist doch ganz klar, kein seriöses Unternehmen duldet eindeutig rechtswidrige Inhalte auf seinen Seiten. Es herrscht weltweit Konsens darüber, dass terroristische Verbrechen auf das Schärfste zu verurteilen und zu bekämpfen sind“, erläutert Süme.
Das Internet wird „kaputt gefiltert“
Am 12. September 2018 hat das EU-Parlament zudem erneut über die Novelle zum Urheberrecht abgestimmt. Bislang hatte das Europaparlament die präsentierten Reformpläne zum Urheberrecht – mit einem Leistungsschutzrecht für Presseverlage sowie einem Uploadfilter – abgelehnt. Heute stimmten jedoch nach eco-Angaben 438 Abgeordnete für den Ausschussbericht bzw. die Erteilung eines Mandats für „Trilog“-Verhandlungen mit der Kommission und dem Rat, 226 Parlamentarier dagegen, 39 enthielten sich.
Süme zeigt sich enttäuscht über den Ausgang der Abstimmung: „Wir haben für ein modernes Urheberrecht gekämpft, das dem Digitalen Zeitalter gerecht wird. Doch mit der heutigen Entscheidung hat das EU-Parlament dem Urheberrecht einen gehörigen Tritt Richtung Steinzeit verpasst.“ Gleichzeitig ignoriere es sämtliche Potenziale der digitalen Wirtschaft, bremse die Digitalisierung der Gesellschaft und die Entwicklung neuer innovativer Geschäftsmodelle europaweit aus – „nur um traditionelle Industrien und veraltete Geschäftsmodelle zu schützen“. Sümes Kommentar: „Diese Entscheidung führt dazu, dass das Internet kaputt gefiltert wird.“
Internetbasierte Nutzungsformen sollten eigentlich vereinfacht werden!
Dabei hätten sich die Ansprüche der Nutzer und der Markt längst weiterbewegt. „Der Urheberschutz ist ein hohes Gut, aber er darf nicht zum Vorwand werden, um digitale Innovation der Zukunft auszubremsen“, unterstreicht Süme.
Internetbasierte Nutzungsformen sollten doch vereinfacht werden, und vor allem müssten urheberrechtliche Vorgaben für Anbieter neuer Geschäftsmodelle einfach handhabbar sein. „Nur so schaffen wir ein gesundes Umfeld für innovative europäische Unternehmen und verpassen im internationalen Vergleich nicht den Anschluss.“
Vorabkontrolle von Inhalten und Aufbau von Zensurinfrastrukturen
Mit dieser Urheberrechtsreform nach den Vorstellungen des Berichterstatters Axel Voss drohe jetzt aber der „massive Eingriff in die technische Grundstruktur des Internets und in die Grundrechte, der klar einen Paradigmenwechsel nach sich ziehen wird und zu einer Vorabkontrolle von Inhalten und Zensurinfrastrukturen führt“.
Süme warnt: „Das Internet wird sich fundamental verändern. Es droht eine einschneidende Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien, wenn zukünftig Unternehmen und nicht Gerichte darüber entscheiden, was wir im Internet sehen, hören und lesen dürfen.“
Zudem würde ein europäisches Leistungsschutzrecht die Digitalisierung der Verlags- und Nachrichten-Branche weiter verzögern, Innovation behindern und zum Wettbewerbsnachteil für den Investitionsstandort Europa werden – dies habe schon in Deutschland und Spanien „keine Vorteile für Presseverlage“ gebracht.
Digitale Transformation der Branche wird eher ausgebremst als gefördert
Zur Abstimmung im Europäischen Parlament über einen Richtlinienentwurf zum Urheberrecht am 12. September 2018 hat auch der Bitkom-Hauptgeschäftsführer, Dr. Bernhard Rohleder, Stellung bezogen:
„Mit seiner heutigen Entscheidung legt das Europäische Parlament dem digitalen Teil der Kreativwirtschaft Steine in den Weg. Die Digitale Transformation der Branche wird eher ausgebremst als gefördert.“
Der Bitkom appelliert an den Ministerrat und die Bundesregierung, in den nun anstehenden Verhandlungen die Entwicklung Künstlicher Intelligenz, die Relevanz von Plattformreichweite für neue Künstler und Kreative sowie die Meinungsfreiheit in den Blick zu nehmen und zu verteidigen.
Weitere Informationen zum Thema:
datensicherheit.de, 11.09.2018
EU-Urheberrechtsrichtlinie: eco nimmt Stellung zur erneuten Abstimmung / Oliver Süme: „Die digitale Transformation muss gelingen!“
datensicherheit.de, 23.08.2018
#SaveYourInternet: Gegen die Zensur des freien Internets
datensicherheit.de, 05.07.2018
Urheberrechtsreform: Europäisches Parlament stimmt im September 2018 ab / Upload-Filterpflicht zunächst abgewiesen – Bitkom und Digitalcourage beziehen Stellung zur aktuellen Entscheidung
datensicherheit.de, 29.06.2018
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