Aktuelles, Experten - geschrieben von dp am Donnerstag, November 19, 2020 20:10 - noch keine Kommentare
Vorratsdatenspeicherung: Wiedereinsetzung für Deutschland gefordert
Begriff „Verkehrsdatenspeicherung“ soll offenbar Brisanz der Vorratsdatenspeicherung verschleiern
[datensicherheit.de, 19.11.2020] Laut einer aktuellen Meldung des Digitalcourage e.V. haben nach einem sogenannten Praktikertreffen der Länder Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zur Vorratsdatenspeicherung die teilnehmenden Minister in einem Appell die Wiedereinsetzung der ausgesetzten Vorratsdatenspeicherung in Deutschland gefordert.

Abbildung: Digitalcourage e.V.
Digitalcourage e.V.: Anlasslose Massenspeicherung ist illegal!
Bereits Gerichtsurteile und Verfassungsbeschwerden gegen die Vorratsdatenspeicherung
Das dafür verwendete Wort „Verkehrsdatenspeicherung“ solle offenbar verschleiern, dass es gegen die Vorratsdatenspeicherung bereits mehrere nationale und EU-weite Gerichtsurteile gebe und Verfassungsbeschwerden u.a. vom Digitalcourage e.V. gegen das aktuelle deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung eingereicht worden seien. Argumentiert worden sei – wie so oft – mit dem „Schutz von Kindern vor Gewaltkriminalität und deren Online-Vermarktung“.
Digitalcourage kritisiert abermals Vorratsdatenspeicherung:
- Potenziell Betroffene nicht involviert
Kinder- und Datenschutzorganisationen seien an diesem „Praktikertreffen“ nicht beteiligt gewesen – ebenso wenig Vertreter von Verbänden der Betroffenen von Verkehrsdatenspeicherungen, wie z.B. Journalisten, Anwälte oder Seelsorger. - Keine überwachungsfreien Alternativen diskutiert
Überwachungsfreie Alternativen zur Vorratsdatenspeicherung seien nicht diskutiert worden. Laut einem Bericht aus dem Innenministerium NRW verfüge das Land beispielsweise über keine Telefonstelle, an die sich Menschen mit Hinweisen oder Fragen wenden zum Thema Kinderschutz könnten. Sozialpolitische Maßnahmen, die Kinder im Vorfeld von Taten schützen könnten, wie verbesserte Zusammenarbeit von Behörden, Schulungen für Mitarbeiter von Schulen oder Sozialämtern und andere Maßnahmen, welche Kinder konkret und präventiv schützten, seien nicht diskutiert worden. - Neuer Begriff für Vorratsdatenspeicherung irreführend und sachlich falsch
Der Versuch dieses Ministertreffens, für die Vorratsdatenspeicherung ein neues Wort zu etablieren, sei irreführend und sachlich falsch. Die Speicherung von IP-Adressen sei keine Kleinigkeit – es handele sich um personenbeziehbare Daten. Alle einschlägigen Vorschläge zur Vorratsdatenspeicherung bezögen außerdem weitere empfindliche Daten wie etwa Mobilfunk-Standorte mit ein. Vor allem jedoch handele es sich bei all diesen Vorschlägen genau um eine generelle Speicherung von Daten auf Vorrat, um sie eventuell später abrufen zu können. Genau dies sei ein zentrales Problem all dieser Vorschläge, weil damit die Bevölkerung effektiv unter Generalverdacht gesetzt werde.
Wissenschaft hat keinen Nachweis für Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung gefunden
Der Journalist Andre Meister habe darauf hingewiesen, dass in der Pressekonferenz zum „Praktikertreffen“ lediglich einzelne Fälle angeführt worden seien: „Aber Beispiele sind kein hinreichendes Kriterium für einen Nachweis. (…) Die Wissenschaft hat keinen Nachweis für die Notwendigkeit der [Vorratsdatenspeicherung] gefunden.“ Meister verweise hierzu auf die Studie „Schutzlücken durch Wegfall der Vorratsdatenspeicherung?“ des Max-Planck-Insituts.
Keine Vorratsdatenspeicherung als der Normalfall in Demokratien und Rechtsstaaten
„Der Normalfall in Demokratien und Rechtsstaaten muss lauten: keine Überwachung von Kommunikation. Ausnahmen müssen konkret begründet, gezielt und verhältnismäßig sein“, stellt Friedemann Ebelt vom Digitalcourage e.V. klar. Der Fokus sollte auf Maßnahmen gerichtet werden, die Kinder konkret und gezielt vor Missbrauch schützen – „nicht auf die Frage, wie Massenüberwachung begründet werden kann“.
Weitere Informationen zum Thema:
WIR IN NRW – DAS LANDESPORTAL
Praktikertreffen zur Verkehrsdatenspeicherung
Andre Meister auf Twitter
Die Justizminister:innen von Hessen, NRW und Niedersachsen veranstalten gerade eine Werbe-Veranstaltung für „die Notwendigkeit der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung“…
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht
Schutzlücken durch Wegfall der Vorratsdatenspeicherung? Eine Untersuchung zu Problemen der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung bei Fehlen gespeicherter Telekommunikationsverkehrsdaten
digitalcourage, Friedemann Ebelt, 21.10.2020
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